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© Toni Yli-Suvanto/Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Debatte: Ein letztes Gefecht

Zu hoch, zu massig? Die jüngst laut gewordene Kritik an der James-Simon-Galerie, dem geplanten Eingangsgebäude der Museumsinsel, ist weltfremd.

Fünf Monate lang war es ruhig um die Museumsinsel – eine halbe Million Besucher im Neuen Museum seit der Wiedereröffnung Mitte Oktober haben alle zuvor aufgeflammte Kritik besänftigt. Vor allem die Leistung, die der Londoner Architekt David Chipperfield vollbracht hat. Jede seiner Entscheidungen hat er begründet, und keine findet heute noch ernstzunehmende Gegner.

Doch nun geht es für Chipperfield in die nächste Runde. Die „Gesellschaft Historisches Berlin“, der unermüdlichste aller Kritiker am Tun des Architekten, hat dessen nächstes Projekt im Visier, das James-Simon-Galerie genannte Eingangsgebäude. In Kürze soll Baubeginn für das 73 Millionen Euro schwere Projekt sein. Im Herbst ist Grundsteinlegung.

Die „Gesellschaft“, eine veritable Bürgerinitiative, beklagt, dass aufgrund der Größe und Massigkeit der Galerie das dahinter liegende Neue Museum für den Passanten am Kupfergrabenufer vollständig verdeckt wird. Die Kritik ist insofern nicht ohne Ironie, weil es ausgerechnet diese Westfassade ist, die die schärfste Kritik des Vereins erhalten hat. Bei einer Gesamthöhe des Eingangsgebäudes von 19 Metern ist es tatsächlich unmöglich, die Fassade des Museums zu sehen.

Nur: Es hat diese Möglichkeit nur zeitweise gegeben. Vor dem Museum stand der 1832 errichtete Packhof von Schinkel, der 1938 abgerissen wurde. Das meistverwendete Foto vom Packhof und dahinter dem Neues Museum – auf der Website der „Gesellschaft“ zu sehen – ist ebenfalls aus optischen Gründen aus der Höhe eines zweiten Geschosses aufgenommen. Exakt dieselbe Stelle verwendet die Computeranimation von Chipperfield, zu sehen auf der Website der Staatlichen Museen (www.museumsinsel-berlin.de). Das Büro Chipperfield beharrt darauf, dass die Hauptansicht stets von Schlossbrücke und Lustgarten her bestand. Von dort aus gelangt man künftig auf die Freitreppe in die James-Simon-Galerie. „Die zum Lustgarten hin geöffnete und weithin sichtbare Freitreppe entspricht der Funktion des Hauses als Empfangsgebäude für den Museumskomplex und greift ebenfalls ein prägendes historisches Element auf“, bekräftigte Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sein Eintreten für die Chipperfield-Planung.

Viel Lärm also um nichts? Immerhin liegt der Entwurf Chipperfields seit 2007 vor. Jetzt ist die Feinplanung dran. So wurde der Abstand zwischen den Stützen der auf einem mehr als neun Meter hohen Mauersockel aufgesetzten Halle verringert, um die Maßverhältnisse der Feinbeton-Stützen denen der Kolonnaden Friedrich August Stülers anzupassen – ein Detail, das den am Neuen Museum so gelobten Umgang des Architekten mit der Historie verdeutlicht. Allerdings bedeckt die 104 Meter lange Halle den gesamten Uferbereich bis zum Pergamonmuseum und lässt, anders als der wesentlich kürzere Packhof, keine baumbestandene Sichtlücke.

Problematischer ist die Raumverteilung. Die Besucherströme müssen sich auf einem immer schmaler werden Gang entlangdrücken, um zur Kasse am Ende des Hauses zu gelangen. Das in der Mitte gelegene Café entspricht mit nur vier Metern Breite bei 45 Metern Länge nicht ganz den Notwendigkeiten, zumal für kaffeedurstige Gruppen. Lange Wege müssen die Kellner zurücklegen, zumal der Tresen am äußersten Ende liegt. Die Zahl von 88 Plätzen an straff gereihten Tischen scheint knapp bemessen. Mehr Platz ist nicht, ohne den offenen Wandelgang an der Wasserseite zu opfern. Der gehört zum Kern des Entwurfs – und verspricht ein geradezu athenisches Schlendern hoch über dem Wasser.

Anderes hat sich verbessert. Künftig wird es einen unmittelbaren Zugang ins benachbarte Pergamonmuseum geben, genau auf der Höhe von dessen Hauptausstellungsebene. Wer ins Neue Museum will, muss Treppen steigen oder aber das Eingangsgebäude (buchstäblich) links liegen. Von dort führt der Weg zum Westportal des Museums. Zudem führen die Kolonnaden zum Haupteingang auf der Innenseite der Museumsinsel, gerade so, wie Stüler das immer gewollt hatte.

Genau zehn Jahre lang ist die Museumsinsel jetzt Weltkulturerbe der Unesco. So sind denn auch alle Änderungen mit Icomos, der Fachkommission der Unesco, abgesprochen und von ihr gebilligt, und zwar bis auf den heutigen Tag, wie Alexander Schwarz, Projektleiter im Büro Chipperfield, versichert. Bereits Ende März vergangenen Jahres stellte das Landesdenkmalamt bündig fest: „Der Entwurf fügt sich durch seine Gestaltung, Größe und Höhenentwicklung als moderne, zeitgemäße Ergänzung, im Sinne des Weiterbauen im und am Denkmal bzw. im Welterbe, in das bestehende Ensemble ein.“ Kurz vor Baubeginn sucht der Geschichtsverein offenbar die letzte Chance für seine Kritik und fordert rundheraus, „auf die Errichtung eines zentralen Eingangsgebäudes zu verzichten“.

Bei prognostizierten vier Millionen Besuchern im Jahr auf der Museumsinsel ist das eine reichlich weltfremde Forderung. Den Zugang auch für Touristengruppen zu sichern, entspricht dem Bildungsauftrag der Museen, frei von Zugangsbeschränkungen zu sein. Vielleicht wird die Archäologische Promenade, die erst nach 2025 vier Häuser der Insel – außer der Alten Nationalgalerie – verbinden soll, noch Kopfzerbrechen verursachen. Die Promenade für diejenigen, die alle vier archäologischen Museen auf einmal bewältigen wollen, ist ein Lieblingsthema einiger Kritiker. Doch niemand wird die Promenade benutzen müssen, der es nicht will.

Mit dem Beweis, dass ein Haus wie das Neue Museum mit eigenem Eingang und Garderobe 100 000 Besucher pro Monat bewältigen kann, sollte diese Klage endgültig erledigt sein. Und ein Café hat das so wundervoll hergerichtete Haus übrigens auch, klein aber fein. Es ging nicht anders, um den historischen Saalrundgang nicht zu zerstören. Da ist man unter sich, um über Nofretete zu sinnieren. 

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