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Debatte: Harte Bescheidenheit

SERIE (9): Wozu die Quote? Besser ist es, maßvoll in der Form, aber stark in der Sache zu sein.

Lange vor der Quotendiskussion gab es dieses Sprichwort: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Trotz aller Fortschritte hat es an Aktualität nichts verloren, weil Frauen und Männer nach wie vor unterschiedlich kommunizieren. Die meisten Frauen haben den ersten Teil verinnerlicht, die meisten Männer den zweiten. Wer sich durch die Berge von Ratgeberliteratur wühlt, trifft auf die immergleichen Muster.

Männer trauen sich in der Regel mehr zu, sie neigen zur Überschätzung. Deshalb haben sie meist kein Problem, Zusagen zu machen, ohne genau zu wissen, ob sie die gewünschte Leistung auch tatsächlich erbringen können. Frauen zermartern sich eher den Kopf, ob sie ein Ziel hundertprozentig erreichen können und sagen nur zu, wenn sie sich sicher sind. Viele tendieren zur Unterschätzung.

Heerscharen von Coaches und Kommunikationstrainern hätten daran eigentlich längst etwas ändern müssen. Aber es ist leichter, gute Ratschläge zu hören, als sie zu befolgen. Deshalb sprechen Männer und Frauen auch weiterhin oft aneinander vorbei. Die Neuropsychologin Louann Brizendine hat entdeckt, dass das weibliche Gehirn deutlich mehr Kommunikationszellen besitzt als das männliche. Aus ihrer Sicht haben Frauen „einen achtspurigen Highway, um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstraße“. Daraus kann man die positive Schlussfolgerung ziehen, dass Frauen in Führungspositionen Vorteile haben, weil sie komplexer kommunizieren können. Der negative Aspekt liegt auf der Hand: Sie gelangen unter anderem oft gar nicht erst so weit, weil sie aufgrund ihrer Kommunikationsweise nicht richtig wahrgenommen werden. Männer ticken kommunikationstechnisch eher hierarchisch und bevorzugen eine direkte knappe Sprache.

Frauen formulieren Anweisungen oder Aufforderungen gern als Bitte, kleiden Vorschläge in höfliche Fragen, verletzen nicht gern und halten direkte Kommunikation im Zweifel für unhöflich. Außerdem haben sie kein Problem damit, auf ihre Schwächen hinzuweisen, auch weil sie denken, dass der Gesprächspartner sich in ihrer Gegenwart dann wohlerfühlt. Von Männern wird das leicht als Schwäche betrachtet.

Auch die Tatsache, dass Frauen oft besser zuhören können als Männer, wird meist nicht honoriert. Frauen halten es eher für unhöflich, einen Redner zu unterbrechen, was in hierarchischen Strukturen aber unbedingt dazugehört.

Ganz schädlich auf dem Weg an die Spitze ist der Umgang mit eigenen Erfolgen. Männern fällt es leicht, über ihre Erfolge zu reden. Selbst wenn es nur wenige sind, inszenieren sie diese mit Sorgfalt. Frauen ist Selbstlob eher peinlich, und bei Kritik fühlen sie sich schnell angegriffen. Männer haben ein dickeres Fell und brechen bei Kritik gern einen Machtkampf vom Zaun. Auch heute noch kann man beobachten, dass Frauen eher zur Feinfühligkeit erzogen worden sind als dazu, sich rigoros durchzusetzen. Dabei wird von Führungskräften immer häufiger emotionale Intelligenz erwartet, also eine Mischung aus typisch weiblichen und typisch männlichen Kommunikationsformen.

Alle Coaching-Angebote können diese Unterschiede offenbar nicht aus der Welt schaffen. Wenn ein Mann grußlos das Büro betritt und mit der Tür ins Haus fällt, wird eine Frau irritiert sein. Wenn die Frau vorsichtig fragt, ob man nicht mal ein bestimmtes Thema auf die Agenda nehmen könne, kriegen die Männer womöglich gar nicht mit, dass sich in der höflich formulierten Frage ein knallharter Vorschlag verbirgt mit der Aufforderung, das gefälligst bald in die Tat umzusetzen. „Suaviter in modo, fortiter in re“, maßvoll in der Form, aber stark in der Sache zu sein – auch diese Forderung ist älter als die Quotendiskussion.

Sicher, die Jungs werden sensibler, die Mädchen tougher, das zeigen die aktuellen Klagen über männliche Melancholiker, die ihren Partnerinnen als zu schwach erscheinen. Wo es um Macht geht, schwächeln die Männer freilich noch nicht. Was daran liegen kann, dass die derzeit wirklich mächtigen Männer eine Generation älter sind.

Sind ihre potenziellen Nachfolger in der Lage, sich ein vielschichtigeres Kommunikationsverhalten anzutrainieren, um dann viel besser weibliches Potenzial erkennen und zum Wohle des Unternehmens nutzen zu können? Für die heute 10-Jährigen besteht durchaus Hoffnung. Den Älteren könnte die Quote helfen, die Sozialisations-Versäumnisse aus ihrer Jugend aufzuholen. Besser wäre es, es ginge auch ohne Quote. Denn ist sie einmal da, wird sie weibliche Leistung zu Unrecht infrage stellen und schmälern.

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