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Kultur: Dekonstruktion als technische Übung

Etwas bisher Übersehenes über die Wirklichkeit und Illusion der Malerei herauszufinden, treibt den Maler Tim Maguire zur Dekonstruktion vorgefundener Bilder.Wie der Wissenschaftler, der ein Präparat unter dem Mikroskop untersucht und dabei zunächst jedes emotionale Verhältnis zu dem Körper, aus dem die Zelle auf seinem Objektträger stammt, beiseite schiebt, sucht der australische Künstler nach Mitteln der Distanzierung.

Etwas bisher Übersehenes über die Wirklichkeit und Illusion der Malerei herauszufinden, treibt den Maler Tim Maguire zur Dekonstruktion vorgefundener Bilder.Wie der Wissenschaftler, der ein Präparat unter dem Mikroskop untersucht und dabei zunächst jedes emotionale Verhältnis zu dem Körper, aus dem die Zelle auf seinem Objektträger stammt, beiseite schiebt, sucht der australische Künstler nach Mitteln der Distanzierung.Die Zerlegung der Vorlagen in ein Raster, die Analyse der Farben per Computer und die Isolierung und Vergrößerung einzelner Abschnitte, die erst zum Schluß wieder zusammengesetzt werden, sind seine Instrumente.

Doch so rational dieser Zugriff auch inszeniert ist, letztendlich dient er der Selbstüberlistung.Der wissenschaftliche Gestus tarnt die Erwartung, daß sich im wiederzusammengesetzten Bild eine eigene Schönheit des Malens offenbare.

Das haut nicht immer hin.Die beiden Porträts, die Maguire im Projektraum Berlin zeigt, beruhen auf Fotografien, die eingescannt und auf ihre Anteile an Magenta, Cyan, Gelb und Schwarz untersucht wurden.Nacheinander trug Maguire die Farbschichten auf die kleinen Tafeln auf, in die er die Gesichter zerlegt hat.Doch die Abstraktion vom Motiv ließ kaum etwas Neues entstehen.Zu eindeutig ist das Ergebnis ein reproduziertes und bearbeitetes Porträt.

In anderen Werkgruppen erreichte Maguire eine größere Zweideutigkeit.Seine "Slits", die sich auf Lucio Fontana beziehen und das Motiv der geschlitzten Leinwand aufnehmen, irritieren durch räumliche Illusion: Irgendwann muß man überprüfen, ob die Schlitze tatsächlich nur gemalt sind.In Bildern von Früchten und Blumen nach barocken Stilleben erzeugt die Vergrößerung, die eine einzelne schwellende Form monumental aufbläst, Befremden zwischen Wiedererkennen und Unheimlichkeit.

Die Porträts dagegen erzeugen außer der Frage nach der Technik keine Unsicherheit.Man fühlt sich ein wenig genötigt, die Verbindung von Pinselhandwerk und Reproduktionstechnik als Virtuosentum zu bewundern; aber das Ergebnis teilt nicht mehr viel mit von den Erkenntnissen, die der Maler möglicherweise auf seinem Weg gemacht hat.

KATRIN

Projektraum Berlin, Auguststraße 35, bis 1.August; Donnerstag und Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 13-18 Uhr.

BETTINA MÜLLER

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