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Kultur: Dem Himmel so nah

Cole Porters Leben als Nummernrevue: Irwin Winklers Film „De-Lovely“

Die Liebe, so behauptet es der Schlager, ist nichts als eine biologische Notwendigkeit. „Ochs tut es, Kuh tut es, / Ein gesundes Känguru tut es / Tu du es / Sei mal verliebt“, sang Hildegard Knef 1968, ein augenzwinkernder Aufruf zur Frivolität. Das Stück stammt von Cole Porter, im Original heißt es noch etwas direkter „Let’s Do It“. Der Komponist hat in seinen Songs, von denen Dutzende zu Standards wurden, die Liebe in allen Spielarten beschrieben, als Wahn („I Get A Kick Out Of You“), Wille („True Love“) oder Ware („Love For Sale“). Porters Liebeslieder haben fast immer einen doppelten Boden, ihre Ironie imprägniert sie gegen den Kitsch. „What Is This Thing Called Love?“, die Frage hat der Broadway-Gigant zwar gestellt, die Antwort aber lieber im Vagen belassen.

„De-Lovely“, der nach einem Porter-Hit benannte Film von Irwin Winkler, erzählt „Die Cole Porter Story“ – so der Untertitel – vor allem als erotische Biografie. Es ist die Geschichte eines erzwungenen Doppellebens. Der Komponist hielt seine Homosexualität, die er neben seiner Ehe in wechselnden Partnerschaften auslebte, vor der Öffentlichkeit verborgen. „Er musste sich in strikter Zurückhaltung üben“, schreibt sein Biograf William McBrien, „das Publikum hätte Liebeslieder abgelehnt, die von einem bekannten Schwulen stammten.“

Ein gefeierter Künstler, der sich der engen Moral seiner Zeit unterwerfen muss. Das hätte der Stoff für ein Melodram über die Verlogenheit einer Gesellschaft sein können, in der Abweichungen von der sexuellen Norm noch strafrechtlich verfolgt wurden. Todd Haynes hat vor drei Jahren einen solchen Film gedreht, sein Retrodrama „Dem Himmel so fern“ zeigte einen Provinzschwulen als Gefangenen eines technicolorbunten Fünfzigerjahre-Alptraums. Winkler entschied sich stattdessen für ein herkömmliches Biopic, das die Stationen von Porters Leben als gefällige Nummernrevue abhakt. Der Film schwelgt in seinem Dekor, für die Abgründe seiner Hauptfigur interessiert er sich nicht wirklich.

Biografie: ein Spiel. 1964, am Ende seines Lebens, sitzt Cole Porter (Kevin Kline) mit einem Regisseur (Jonathan Pryce), der ein Musical über sein Leben plant, in einem Broadway-Theater. Die Konstellation erinnert an die beiden Alten aus der Muppets-Show, die von einer Loge aus ihre Sottisen abfeuern. Kline, mit viel Pomade ins Jazz Age zurückfrisiert, macht seine Sache recht ordentlich, aber das Drehbuch hält für ihn bloß feierlich dröhnende Bekenntnisse („der Gott, an den ich glaube, wäre Musiker und Tänzer“) bereit. Man sieht Porter mit seiner Frau Linda (blass: Ashley Judd) in Paris, mit Lover am Pool in Hollywood, er komponiert und singt und tanzt. Echten Swing kriegt die auf Heldenverehrung angelegte Handlung an keiner Stelle. Das Bemerkenswerteste an „De-Lovely“ sind die Gastauftritte. Elvis Costello singt „Let’s Misbehave“, Sheryl Crow „Begin The Beguine“ und Robbie Williams „It’s De-Lovely“, den Titelsong. Großartig! Statt ins Kino zu gehen, reicht es auch, Porters Platten noch einmal aufzulegen.

In Berlin in vier Kinos, Originalfassung im Cinestar SonyCenter

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