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Dem Theaterkritiker Günther Grack zum 80.: Eine Vorstellung vermitteln

Bei einer gelungenen Kritik ist Meinung nur die halbe Sache. Genauigkeit und das klare Beobachten und Beschreiben, darum geht es. Theaterkritiker Günther Grack wusste das. Wir gratulieren zum 80.

„Ein Kerl muss eine Meinung haben“. Das hat Alfred Döblin gesagt. Er schrieb nicht nur den exemplarischen Roman dieser Stadt, „Berlin Alexanderplatz“, sondern auch kräftige Theaterkritiken. Meinung ist dabei wichtig, aber bloß die halbe Sache. Ein bisschen Fundierung und Erklärung der Zusammenhänge kann nicht schaden. Wenn wir heute unserem Kollegen Günther Grack zum 80. Geburtstag gratulieren, erinnern wir gern daran, was eine Kritik ausmacht, was seine Theaterkritiken ausgezeichnet hat. Es ist eben auch eine Frage der Genauigkeit, des klaren Beobachtens und Beschreibens. Darum geht es: dem Leser, vor allem jenem, der (noch) nicht in der Vorstellung war, eine Vorstellung zu vermitteln von dem, was auf der Bühne geschieht. Worin dieses mise-en-scène besteht, das Bühnenbild, die Kostüme, die Besonderheit und die Leistung der Schauspieler, die Stimmung des Abends.

Günther Grack lebt heute zurückgezogen, in Premieren geht er nicht mehr, aber er verfolgt noch das Berliner Theater- und Opernleben. Jahrzehntelang hat er für den Tagesspiegel Kritiken geschrieben – in der großen Zeit der alten Schaubühne, mit Peter Stein, Botho Strauß, Bruno Ganz, Edith Clever und Jutta Lampe. Es waren jene Jahre, als das Schiller-Theater noch nicht in Agonie gefallen war. Herrlich sein trockener Humor, wie er uns kürzlich darauf hinwies, dass er nun in den Kreis von Hellmuth Karasek und Donald Duck komme, die 2014 ebenfalls ihren 80. Geburtstag gefeiert haben. Er selbst erinnert eher an Woody Allen, zumal auf älteren Fotografien.

Neugierig ist Günther Grack immer noch

Der gebürtige Königsberger trat 1961 ins Feuilletonressort dieser Zeitung ein. Und da blieb er bis 1999 und schrieb auch nach seinem 65. noch Jahre für uns weiter, auch gern Literaturkritiken. Es ist kaum zu ermessen, wie viel Großes, Einmaliges, Historisches Günther Grack im Parkett erlebt hat – nicht nur in Berlin, sondern auch in Bochum, Hamburg, Stuttgart, München, Wien oder Salzburg. Welche Fülle! Was für ein Personal! Und welche gesellschaftliche Bedeutung das Theater damals hatte, unbestritten das Feuilleton-Thema Nummer eins.

Da hat sich manches gewandelt, zurechtgerückt, vielleicht auch verschlechtert, das kommt auf die Perspektive an. Ein Wunder ist es jedenfalls nicht, dass „Grack“, wie ihn alle liebevoll nennen, sich mit seinem Hintergrund und Erfahrungsschatz im Theater jetzt nicht mehr so zu Hause fühlt. Neugierig ist er nach wie vor, da sieht man ihn plötzlich bei einem Konzert von Diana Krall!

Was Grack schrieb, stimmte

Es gibt einen klassischen Agententhriller, die „39 Stufen“. Günther Grack hat sein theaterkritisches Schaffen von 1959 bis 2007 in 39 Leitz-Ordner gepackt. Sie befinden sich im Archiv des Deutschen Theatermuseums in München und sind auf Anfrage abrufbar. Man kann sich darauf verlassen. Was Günther Grack schrieb, stimmte. Auch wenn man sich einmal seiner Meinung nicht anschließen wollte. Dafür wurde Theaterkritik erfunden. Zum Streiten, zur Information, zur Dokumentation. Und stets ist sie, wie ein Stück des von Günther Grack sehr geschätzten Peter Handke heißt, ein „Ritt über den Bodensee“.

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