zum Hauptinhalt

Kultur: Den Wolf spielen

Martenstein geht unter falschem Namen auf Parties

Gestern ist bei der Berlinale ein Film über Kommunikationsprobleme gelaufen, es war mit Sharon Stone, und sie konnte nicht kommunizieren. Wir anderen aber kommunizieren bei der Berlinale die ganze Zeit! Wenn man zu einem Empfang geht, gibt es am Eingang immer eine Liste mit Namen. Auf dieser Liste muss man draufstehen. Sie kontrollieren aber nicht die Ausweise.

Vorgestern hatte ich mich zu einem Empfang angemeldet, sollte aber nicht eingelassen werden, denn der Name M. stand nicht auf der Liste. Ich sagte: „Entschuldigung, mir fällt da grad ein, ich heiße doch nicht M., ich heiße Wolf. Meine Exfreundin hat früher zum Spaß immer M. zu mir gesagt. Da hab ich mir das angewöhnt.“ Ich wusste nämlich zufällig, dass der Fotograf Mike Wolff bei dem Empfang fotografieren sollte. Da haben sie mich durchgewunken. Das heißt, die am Eingang halten es für möglich, dass bei der Berlinale Leute herumlaufen, die so zu sind, dass sie nicht einmal mehr ihren eigenen Namen kennen, aber trotzdem lebenstüchtig genug, um ein Glas Sekt zu halten und eine Meinung zum koreanischen Wettbewerbsbeitrag zu haben. Später sah ich, dass Mike Wolff ebenfalls da war und fotografierte, er hat sicher gesagt, dass er „Müller“ heißt, zwei oder drei Müllers stehen immer auf der Liste. Aber sagen Sie niemandem, dass Sie den Tipp von mir haben!

Ein bisschen Englisch muss man schon können. Ich sage das nur wegen gewisser Leserbriefschreiber, die bei jedem englischen Wort sofort anfangen, ihre Farbbänder zu wetzen oder den Gänsekiel zu spitzen. If you can’t stand the heat, stay out of the column. Bei den Empfängen wird in diesem Jahr aber mehr Wasser getrunken als früher und fast nicht mehr geraucht, in den Filmen dagegen ununterbrochen. Um auszudrücken „dieser Film spielt nicht heute, dieser Film spielt früher“, lassen die Regisseure ihre Schauspieler einfach pausenlos Zigaretten anzünden. Das ist billiger, als sie in eine 1959er Corvette einsteigen zu lassen, während im Hintergrund Zeppeline abstürzen. Bisher waren Wahnsinn, Schwindsucht, Tobsucht und Alkoholismus die typischen Schauspielerkrankheiten, in Zukunft kommen auch noch Lungenkrebs dazu und natürlich Kommunikationsprobleme.

-

Zur Startseite