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Kultur: Denker in Badelatschen

KUNST

1800 wurde in der Berliner Akademie-Ausstellung eine Zeichnung des Bildhauers Johann Gottfried Schadow , „Sokrates im Kerker“, gezeigt. Ein offenkundig von Raffaels „Schule von Athen“ inspiriertes Werk und dennoch eine Auftragsarbeit, die auf ihre Entstehungszeit deutlich Bezug nahm. Im Jahr zuvor hatte eine anonym erschienene Streitschrift in Berlin für Aufruhr gesorgt, ein Plädoyer für den Übertritt der Juden zum Christentum, verfasst vom jüdischen Seidenfabrikanten, Gelehrten und Moses-Mendelssohn-Schüler David Friedländer. Nur durch die Taufe, argumentierte Friedländer, könnten sich die Juden in Deutschland assimilieren. Dieser Gedanke brachte ihm nur Hohn und Spott ein. Der in der Schrift adressierte Probst Teller empfahl ihm, sich auf die wirkliche Tradition Mendelssohns zu besinnen.

Denn der Philosoph hatte zwar maßgeblich zur Emanzipation der Juden beigetragen, die Bekehrung zum Christentum aber immer abgelehnt. Friedländer, der als treuer Mendelssohn-Verehrer über einen solchen Ratschlag wohl pikiert sein musste, gab daraufhin beim berühmten Schadow die Zeichnung „ Sokrates im Kerker “ in Auftrag – ein eleganter Schachzug. Aus der Figurengruppe in der linken Seite des Bildes sticht Moses Mendelssohns Antlitz hervor. Ein Mahnender: Sokrates, zum Tode verurteilt – kurz bevor er den Schierlingsbecher leert, fordert seine Schüler auf, trotz aller Meinungsunterschiede den Gedankenaustausch fortzusetzen. Die Zeichnung ist nun wieder in der Alten Nationalgalerie in einer kleinen Ausstellung zu sehen (bis 17. August, Katalog 10 €), zusammen mit Schadows Vorstudien sowie Zeugnissen seines Verhältnisses zum Auftraggeber Friedländer und zum jüdischen Bürgertum.

Aureliana Sorrento

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