zum Hauptinhalt

Kultur: Denkmal für ein überlebendes Werk

Ein Denkmal hat die Stadt Osnabrück dem Maler Felix Nussbaum errichtet, eine Ausstellungshalle, konzipiert von dem Star-Architekten Daniel Libeskind: selbstbewußt, beziehungsreich und ausdrucksstark.Ein Monument aus drei Gebäuden, die sich nach außen hin in Beziehung setzen zu der Stadt, in der Nussbaum die ersten zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte, zum früheren "Braunen Haus", in dem die Gestapo ihren Sitz haben sollte, zu dem Platz, wo die Synagoge stand.

Ein Denkmal hat die Stadt Osnabrück dem Maler Felix Nussbaum errichtet, eine Ausstellungshalle, konzipiert von dem Star-Architekten Daniel Libeskind: selbstbewußt, beziehungsreich und ausdrucksstark.Ein Monument aus drei Gebäuden, die sich nach außen hin in Beziehung setzen zu der Stadt, in der Nussbaum die ersten zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte, zum früheren "Braunen Haus", in dem die Gestapo ihren Sitz haben sollte, zu dem Platz, wo die Synagoge stand.Mit seiner ausgeklügelten Architektur hat Libeskind eine Abfolge von Räumen und Ausstellungsflächen geschaffen, die ihre ganze Energie erst in der Wechselwirkung zum Werk, zu der in Bilder gefaßten Lebensgeschichte Felix Nussbaums entfaltet.Durch die Eröffnung einer ständigen Ausstellung mit 160 Arbeiten des jüdischen Malers erfüllt das bereits im Juli 1998 eingeweihte Felix-Nussbaum-Haus (vgl.Tagesspiegel vom 16.7.1998) nunmehr seine Bestimmung.

Die Geschichte des 1904 in Osnabrück geborenen Kaufmannssohnes, der nach vielversprechenden Anfangserfolgen als farbenfroh verspielter Maler im künstlerischen Spannungsfeld zwischen der expressiven Farbkraft van Goghs und Karl Hofers konstruktiver Flächigkeit, zwischen Utrillos lakonischen Alltagsszenen und Chiricoschem Mythenbewußtsein ab 1933 das Land seiner Muttersprache nicht mehr betreten konnte, spiegelt in seltener Eindringlichkeit die deutsche Geschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wider.Felix Nussbaum war Jude.Als Hitler die Macht ergreift, ist dem Maler, der sich 1933 als Stipendiat der Villa Massimo in Rom aufhält, die Rückkehr nach Deutschland versperrt.Fortan lebt Nussbaum mit seiner Lebensgefährtin, der polnisch-jüdischen Malerin Felka Platek, im Ungewissen.Ins Exil verdammt, bleibt er abgetrennt von seinen Wurzeln, von Familie und Heimat.

Sichtbar wird die Last der Isolation vordergründig an der stilistischen Verunsicherung, die ihn hin und wieder überfällt, an seinen Brüsseler Versuchen, seine Malerei an der damals in Belgien modernen Pariser Schule zu orientieren.Spürbar wird die Entwurzelung auch an seinen Motiven, an ihrer symbolischen Aufladung, am Wachsen der bedrohlichen Mauern, dem Verschwinden der Menschen aus seinen Straßenansichten, der zunehmenden Blattlosigkeit der gemalten Bäume.Befremdend dabei Nussbaums Farbpalette, die sich stetig verengt und verdüstert, bis sie schließlich dominiert wird von einem allgegenwärtigen Braunschleier, dem hier und dort grüne oder blaue Obertöne zugemischt sind.Nach Kriegsausbruch und der Besetzung Belgiens durch die Naziarmee muß sich das Malerpaar auch in Brüssel verstecken, der Bewegungsspielraum wird enger und enger.Schließlich, kurz vor der Befreiung Brüssels durch die Alliierten, werden Nussbaum und Platek in ihrem Versteck von den Nazis festgenommen und mit dem letzten Deportationszug von Belgien nach Auschwitz gebracht, wo sie am 2.8.1944 eintreffen - wie zuvor Nussbaums Eltern und kurz darauf auch sein Bruder -, um ermordet zu werden.

Den Stationen der Biographie des Malers folgt in assoziativer Parallele die Ausstellungsarchitektur.Nach einem relativ offenen Eingangsraum, der Nussbaums heitere Anfänge in Osnabrück und Berlin belegt und die Einflüsse deutlich macht, die die Ästhetik des Malers prägten, führt ein ansteigender Gang in die Beengung des Exils.Seine Auseinandersetzung mit dem eigenen Bild ist hier nachzuvollziehen, die seine Arbeit durchzieht, seit sie in der Fremde stattfindet.Die leuchtstarken Straßenansichten aus dem relativ unbeschwerten Jahr, nach Nussbaums Abschied von Rom, verdüstern sich bald in der Frustration über die Isolation, die er in Belgien erfahren mußte.Dem entspricht die Verengung der räumlichen Perspektive des Ausstellungsbaues, bis der Maler schließlich, nach seinem Aufenthalt in einem Internierungslager in den Pyrenäen, zu seiner symbolhaften Bildsprache findet.

Noch einmal führt die Ausstellung durch den klaustrophobischen Nussbaum-Gang, vorbei an den motivarmen Stilleben aus dem Alltag im Versteck, zu dem letzten Raum, mit dem Nussbaum nach seinen Bearbeitungen des jüdischen Schicksals sein Malen abschließt: "Triumph des Todes", ein in blasses Braun getauchtes Weltgericht: die hoffnungslose Vision einer untergegangenen Welt.Zerstört sind alle Zeichen der Kultur, und während eine Combo von Gerippen ihr Lied spielt, hat der Leierkastenmann nichts mehr zu tun.Nussbaum datiert diese Arbeit auf den 18.4.1944 und hat mit der Malerei abgeschlossen.Überzeugt, daß auch er zu den Verdammten gehört, wartet er auf sein Ende.Den Nachgeborenen hinterläßt er die Worte: "Laßt meine Bilder nicht sterben, zeigt sie der Nachwelt!" Daran hat sich Osnabrück nun gehalten, und die Präsenz des Museums zeigt, daß die Stadt dieses Erbe bewahren will.

STEFAN HENTZ

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false