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Der Rapper Denyo, bürgerlich Dennis Lisk.

© Buback

Denyo im Interview: „Rapper zu sein, war manchmal peinlich“

Der Berliner Rapper Denyo über Hip-Hop-Depressionen, Kampfhund-Rapper, die Anfänge der Absoluten Beginner und sein Soloalbum „Derbe“

Sie sind vor sieben Jahren nach Berlin gezogen. Im Song „Elbtunnelblick“ sagen Sie, dass Sie Hamburg noch im Herzen tragen. Was bedeutet Ihnen Ihr Geburtsort?
Eine offenere Weltsicht, wegen des Hafens, des Austauschs. Das ist für mich alles selbstverständlich, ohne das gäbe es uns nicht. Dafür wollte ich mich bei Hamburg bedanken.

Und wie erleben Sie Berlin?
Ich bin Zugezogener. Ich sehe hier nur die Möglichkeiten, die man hat. Berlin ist ein großer, energetischer, komplexer Ort.

Sie machen jetzt schon seit 25 Jahren Hip-Hop. Wie sind Sie eingestiegen?

Mit zwölf, dreizehn. Das hat mit Public Enemy angefangen, dann kamen N.W.A. Da habe ich etwas gespürt, das ich gar nicht in Worte fassen konnte. Mit diesen Menschen konnte ich mich einfach identifizieren, auch ein bisschen wegen meiner Hautfarbe. Andererseits hatte Jan Delay genau denselben Flash.

Was hat Sie so fasziniert?
Hip-Hop war kompromisslos und rebellisch. Das hat man gehört in diesen wahnsinnig fetten Beats. Ich habe erstmal kein Wort verstanden, aber es war klar: Die wollten irgendwas ganz dringend sagen.

Wann kam die Idee, dass Sie das auch selber machen könnten?
Relativ schnell. Ich wollte mich künstlerisch ausdrücken, habe mich aber in der Schule ein bisschen dagegen gewehrt. Bei Hip-Hop konnte ich eins zu eins das machen, was ich wollte. Ein halbes Jahr nachdem ich zum ersten Mal Public Enemy gehört hatte, schrieb ich meinen ersten Text.

Ihre Gruppe Beginner, damals noch zu siebt und mit einem „Absolute“ davor, hat sich 1991 gegründet. Sie sind buchstäblich mit Hip-Hop groß geworden.
Ja, wir haben mit vierzehn unsere erste Platte rausgebracht. Wir waren alle Kids aus einem bestimmten Teil von Hamburg. Die „Rote Flora“ hat mich magisch angezogen. Dazu die Antifa. Aber die Antworten, die ich da gefunden habe, haben irgendwann nicht mehr ausgereicht.

In der Deutschrap-Geschichtsschreibung gilt das Beginner-Album „Bambule“ von 1998 als erster Höhepunkt, auf Augenhöhe mit den amerikanischen Vorbildern.
Plötzlich waren wir in den Charts und mussten uns dafür rechtfertigen. Aber man konnte „Bambule“ neben ein Album von A Tribe Called Quest legen und das passte zusammen. Das war ein toller Moment. Auf einmal ist man in der „Bravo“, findet das geil, aber irgendwie auch nicht.

Wegen des linken Spirits der Beginner?
Sicher steckte bei uns ein linksliberaler Gedanke drin. Ohne Dogmatismus oder als Vertreter einer Theorie. Man könnte es einfach antispießig nennen. Eine Meinung haben, aber mit Leichtigkeit und Humor, auch Widersprüche zulassen.

Ging es auch darum, Deutschland zu verändern?
Ich bin Deutscher, ich bin hier geboren, meine Mama ist blond. Dass ich aber für manche eben nicht Deutscher bin, das habe ich erst mit 20 realisiert. Hip-Hop war ein Auffangbecken, ein Spielplatz für solche ausgegrenzten Kinder. Denen war das Korsett hier zu eng.

„Blast Action Heroes“ von 2003 fühlte sich dann wie ein Abgesang an. Das Album endet mit dem Track „Kake is at the dampf“, in dem die Musikindustrie untergeht.
Danach sind wir ja noch zwei Jahre getourt. Als wir den Track gemacht haben, hatte das noch was Lustiges. Wir dachten, dass wir übertreiben. (lacht) Aber dann ist das Ding wirklich zusammen gebrochen.

"Cro hat das Image des deutschen Hip-Hop verbessert"

Der Rapper Denyo, bürgerlich Dennis Lisk.
Der Rapper Denyo, bürgerlich Dennis Lisk.

© Buback

Woran habt Sie das gemerkt?
Auf einmal waren Dinge erfolgreich, die man selber nicht mehr feiern kann. Bei dieser Berlin-Aggro-Geschichte habe ich die Faszination nicht verstanden – auch wenn ich Leute wie Sido mittlerweile cool finde. Aber da haben teils einfältige Menschen das game für sich entdeckt. Das geht ja bis heute weiter mit irgendwelchen Kampfhund-Rappern, die sich einfach nur fragen, womit sie mehr verdienen können, mit Drogen oder mit Musik. Klar, die eigenen styles waren auch ein bisschen vorbei, man musste sich neu erfinden.

War für Sie klar, dass Sie Musiker bleiben?
Die Frage hat sich gar nicht gestellt. Ich hab einfach weitergemacht, war aber unzufrieden damit, wie sich die Sachen verkauft haben. Das war mir damals noch wichtig. Ich hatte eine Hip-Hop-Depression und habe dann das Singer-Songwriter-Album „Suchen und Finden“ gemacht.

Diese Hip-Hop-Depression, wie sah die aus? Manche Rapper der alten Schule haben sich damals ja richtig geschämt.
Das war bei mir auch so. Du hast das Rap- Ding auf ein gewisses Level gebracht und dann kommen so ein paar Deppen und vergewaltigen alles, was du dir vorher aufgebaut hast. Rapper zu sein, das war manchmal peinlich.

Immer noch?
Jemand wie Cro hat das Image des deutsche Hip-Hops – ob man ihn mag oder nicht – positiv verändert. Und jetzt gibt es zig Subgenres. Für jeden gibt es etwas, auch für die, die nicht so weit denken können. Die wollen eine Ansage: „Das ist geil, das ist scheiße. Warum? Weil ich es sage. Ich hab dicken Bizeps, du hast deine Tage“. Solche Leute können aber mit den Beginnern und mit mir nichts anfangen. Ich habe da eher Mitleid. Ärgerlich ist es nur, wenn mir diese Hohlbratzen erzählen, dass ich nicht Hip-Hop bin.

2011 haben Sie mit der Radioshow „Top of the Blogs“ angefangen, bei der Sie nur neue Musik spielen. Wie hat das Ihr neues Album „Derbe“ beeinflusst?
Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich das mit den Blogs richtig kapiert habe, und dann habe ich diese geile Soundcloudwelt entdeckt. Diese ganzen Sachen von Bedroom-Producern, diesen Kids, die alleine mit ihrem Laptop die unglaublichsten Sachen machen. Oder The Weeknd, der für mich Neo-Soul revolutioniert hat. Da habe ich das gefunden, was ich jahrelang im Hip-Hop vermisst habe.

So klingt auch Ihr Album: keine Samples, alles elektronisch und minimal. Findet ein Beginner-Fan da Anschluss?
Das kommt darauf an, wie offen dieser Mensch ist. Wer mich mit einem bestimmten Sound abgespeichert hat und jetzt einen krassen low-bass hört, der hat vielleicht das Gefühl, alt geworden zu sein. Es gibt rückwärtsgewandte Leute innerhalb der Hip-Hop-Welt. Wenn das Wort „trap“ fällt, dann kriegen die die Krise.

Ein Track heißt „Papa“, darauf erklären Sie Ihrer Tochter, was Hip-Hop ist.
Es gibt eine Hip-Hop-Elterngeneration, die freshes Zeug macht und gleichzeitig gute Eltern sind, die Verantwortung übernehmen. Das wollte ich zeigen.

Auf wenigen Hip-Hop-Alben wird verhandelt, dass jemand nicht mehr jung ist.
Ich habe kein Album für Mittdreißiger gemacht, aber ich verheimliche es natürlich nicht. Rap lebt von einer gewissen Naivität. Das zu überwinden und trotzdem eine interessante Rap-Platte zu machen, das ist spannend. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendwann erwachsenen Hip-Hop.

Gibt es den noch nicht?
Doch, es gibt Entwürfe, aber die haben mich noch nicht so richtig bekommen.

Das Gespräch führte Fabian Wolff. "Derbe" erscheint am 17.4. bei Buback

Fabian Wolff

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