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Kultur: Der Alchemist

Marek Janowski dirigiert Wagners „Tannhäuser“.

Als alles vorbei ist, stürzt es wieder hernieder, jenes begeisterte Applausgewitter, das Marek Janowskis konzertante Wagner-Aufführungen in der Philharmonie nun schon zum sechsten Mal begleitet. Es ist der Jubel eines Publikums, das sich auch seiner selbst versichern und den bösen Regie-Berserkern die Zunge rausstrecken will: Seht her, es geht auch ohne euch. Eine Feier der reinen Musik – diesmal mit dem „Tannhäuser“.

Robert Dean Smith, für Torsten Kerl eingesprungen, verzuckert die Titelrolle mit Tenorbalsam, märchenhell, sehr textverständlich, eine Stimme, die man nur edel nennen kann. Aber wie das mit dem Edlen so ist: Es ist wenig aufregend. Tannhäuser, der Zerrissene, rastlos Schwankende, ein Künstler, der nirgendwo lange verweilen kann, der unfähig ist, die Frau als sinnliches und geistiges Wesen zugleich zu begreifen und sie deshalb in Venus und Elisabeth zerspalten muss? In Smith’ Stimme hört man davon nichts.

Welche pulsierende Sinnlichkeit zeigt dagegen Marina Prudenskaja als Venus, wenn auch um den Preis der Textverständlichkeit. Nina Stemme ist eine gereifte Elisabeth, deren gewaltiger, tiefer, bronzen getönter Sopran später, als sie zur Heiligen entrückt, immer durchscheinender wird. Ätherisch-schön Bianca Reim als Hirte, fantastisch Christian Gerhaher als Wolfram. Der gefeierte Liedinterpret macht aus dem „Abendstern“ ein Ereignis, singt aber auch in den dramatischen Szenen zupackend und kernig.

Zum Niederknien der Rundfunkchor Berlin (Einstudierung Nicolas Fink), vor allem als Pilger. Die leise, ferne Homogenität, mit der „Zu dir wall’ ich, mein Jesus Christ“ einsetzt, jagt Schauer über den Rücken. Beim „Einzug der Gäste in die Wartburg“ allerdings merkt man, dass es dem Chor an theatraler Opernerfahrung fehlt. Das Rundfunk-Sinfonieorchester hingegen spielt, als hätte es seit jeher in der Oper gearbeitet. Janowski, der große Orchestererzieher, hat lange an der Flexibilität gefeilt und mischt die Stimmen nun nach Belieben wie ein Alchimist – wenn er auch bei der Dynamik, wieder einmal, wenig Rücksichten auf die Solisten nimmt. Udo Badelt

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