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Dichten und darstellen. Franz Dinda, 28, schreibt gern Briefe auf Büttenpapier. Foto: Davids/Pritzkuleit

© DAVIDS/Pritzkuleit

Kultur: Der analoge Bohemien

Franz Dinda ist Schauspieler, etwa im gerade angelaufenen Film „Westwind“. Doch der Mann hat noch andere Talente

Was dieser Mann so alles kann. Schauspielern: In Robert Thalheims Kinofilm „Westwind“ spielt er einen Wessi, der seine Liebe im VW-Käfer-Kofferraum aus Ungarn in den Kapitalismus schmuggelt. Singen: Letztes Jahr, als Moderator beim First Steps Award, schmetterte er im schnieken Anzug Elvis’ „If I can dream“ mit so viel Verve von der Bühne, dass die Filmfreunde in den letzten Reihen noch bebten. Reimen: Im Herbst 2010 erschien im Weissbooks Verlag sein „BilderReimbuch über Liebe“, quadratisch, auf nicht ganz weißem Papier gedruckt, links Kunst, rechts Gedichte. Und zwar tolle. Jandl-artig spielt er zum Beispiel mit den Buchstaben L I E B E: „Bleib bleibe / Nein / Lieber ein Beil / Mein Leben im Nebel / Nie / Bleib bei Bleibeinen / Bin eine Lilien-Biene / Liebe eben Lilien / Bebe für Liebe“.

Dabei ist er noch nicht einmal 30: Franz Dinda wurde 1983 in Jena geboren, reiste mit seiner Mutter, einer Pastorin, ein halbes Jahr vor dem Mauerfall nach Westdeutschland aus, besuchte in Stuttgart ein Gymnasium bis zum Abitur, lernte Trompete, übte Theaterspielen, zog nach Berlin und begann, für seine Rollen in Kino- und Fernsehfilmen Preise einzusammeln. Die standen vermutlich als Staubfänger irgendwo in der großen Kreuzberger Wohnung herum, in der Dinda bis vor kurzem wohnte. Und die er abgestoßen hat, erzählt er beim Treffen in einem Café am Kanal, wieder trägt er Anzug, und wie immer konsequent Hut. „Ich habe eine Katharsis durchgemacht“, sagt er. „Habe viel zu lange in einer überflüssig teuren Wohnung gelebt und irgendwann festgestellt: Was bist du für ein lächerlich armes Würstchen, dass du dich mit derlei Statussymbolen umgibst. Gibt mir das jetzt was, dass Leute reinkommen und sagen: Du hast ne tolle Wohnung, bist bestimmt ein Riesenhecht?“

Dinda zog in eine Atelierwohnung um die Ecke, spartanische 20 Quadratmeter, und fühlt sich jetzt „viel unabhängiger“. Viel Zeit widmet er dem Reimen und einem neuen Bühnenprogramm mit Anna Thalbach, das Anfang November im Heimathafen Neukölln aufgeführt wird. Es verbindet Lyrik mit Musik. „Ich glaube an Lyrik“, sagt Dinda, „weil das in einem Zeitalter, in dem man von Information zu Information rennt, eine verdichtete Form ist“. Und er mag das Altmodische am Schreibvorgang: „Ich bin Nostalgiker, ich habe oft das Gefühl, in der falschen Zeit zu leben. E-Mails kann man eben nicht auf schönem Büttenpapier versenden.“

Sein neuer, auf einem wahren Erlebnis der Produzentin und ihrer Schwester basierender Film „Westwind“ spielt ebenfalls in der Vergangenheit, im Jahr 1989, im Sommer vor dem Mauerfall. Dindas Figur Arne verliebt sich in Doreen, eine der beiden Protagonistinnen. Die zweieiigen Zwillinge aus der DDR und der smarte Hamburger treffen sich am Balaton, wo die Mädchen im Ruder-Sommercamp trainieren sollen. Stattdessen tauschen Arne und Doreen durch den Pionierlagerzaun heimliche Küsse aus, man trifft sich im Hotel und schmiedet schließlich den Fluchtplan. Doch Doreens Schwester Isabel hat Zweifel. Und so müssen die beiden in harmonischer Symbiose lebenden Schwestern eine Entscheidung treffen, die ihr Leben ändert.

Dinda kann sich gut daran erinnern, welchen Eindruck der Westen auf ihn machte, als er 1989 mit seiner Mutter ausreiste: „Ich hab nicht in Erinnerung, dass alles bunter war, sondern vor allem, dass es wahnsinnig viel gab, meine Mutter hatte beim ersten Einkauf einen Nervenzusammenbruch!“ Vielleicht stammt sein Hang zur Nostalgie, der freiwillige Verzicht auf Luxus genau aus dieser Erfahrung: „Die Übersättigung ist der Preis für das System.“ Auch für seinen Beruf hat er Konsequenzen gezogen, würde nicht alles machen, um ein Star zu werden. „Ich liebe die Schauspielerei“, sagt er. „Aber ich finde 80 Prozent meiner Filme belanglos.“ Dinda versucht, sich von der Oberflächlichkeit des Business nicht beeinflussen zu lassen. „Schreiben ist befriedigender als Film, weil da wirklich Franz drin ist, wenn Dinda drauf steht." Er zeigt Bilder zu seinem neuen Projekt, ein Buch über den Expressionismus. Dann überprüft er den nächsten Termin. Natürlich in einem papiernen Notizheft.

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