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Kultur: Der Aufmischer

Banjo, Orgel, Tuba: Musikkomödiant Hans Liberg kommt mit Orchester in die Philharmonie

Die Stücke ausspielen kann jeder. Aber sie im richtigen Moment abzubrechen und das Publikum gerade damit zum Lachen zu bringen, ist eine hohe Kunst. Hans Liberg beherrscht sie: „Was wollen Sie hören?“ fragt der Niederländer, „Tschaikowsky?“ Und schon hämmert er die wuchtigen Anfangsakkorde des ersten Klavierkonzerts in die Tasten, nur um gleich wieder aufzuhören: „Kenne ich nicht“, sagt er, und schon schütteln sich die Leute vor Lachen. Er spielt die gleiche Stelle im ¾ Takt: „So würde es bei André Rieu klingen“. Dann will er Vorschläge hören für erotische Musik – oder „Cohabitations-Musik“, wie er es nennt – und macht gleich selbst welche: Wie wär’s mit Ravels Bolero, mit Rossinis Tell-Ouvertüre (die mit dem eindeutig zweideutigem Reiter-Rhythmus) oder mit „Also sprach Zarathustra“ von Strauss, wo doch alles aus tiefem Grund nach oben strebt und schließlich explodiert? Natürlich spielt er alles nur an, nichts währt länger als eine Minute. Nach spätestens 23 Takten hört er auf, „weil es sonst ein Konzert wäre“. Das richtige Timing ist elementar für seine Shows, auch für die neueste, „Symphonie Libergique“ – wieder so ein unernster Titel, denn eine volle Symphonie bekommt man bei ihm nie zu hören. Erstmals begleitet ihn mit den Hamburger Symphonikern ein ganzes Orchester. Kommenden Montag tritt er in der Philharmonie auf.

Der Grundsatz von Hans Liberg ist: „Musik ist nicht lustig“. Den Komponisten war es völlig ernst mit dem, was sie schufen. Wäre Kunst witzig, wäre sie langweilig. Und weil Musik eigentlich nicht witzig ist, kombiniert Hans Liberg sie mit Außermusikalischem, mit Text, mit dem richtigen Wort zum richtigen Zeitpunkt. Damit hat er jetzt schon seit über 25 Jahren Erfolg. In Amsterdam bringt er Tausende dazu, „Der Hölle Rachen“ aus der „Zauberflöte“ mitzusingen, und er dürfte der Erste sein, der jemals „A Hard Day's Night“ von den Beatles im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins gespielt hat – zumindest ein paar Takte davon.

Musik ist ihm schon im heimischen Jordaan in die Wiege gelegt worden, in dem Amsterdamer Viertel, das seine Kneipensänger als Helden verehrt und Künstler wie André Hazes oder Willy und Willeke Alberti in Denkmälern verewigt. Seine Mitschüler begeisterte er mit Konzerten, die von Eric Clapton inspiriert und mit bunter, an die Wand projizierter Flüssigkeit aufgemotzt waren („Das hat man damals so gemacht, es sah aus wie Sperma“). Seine Berufslaufbahn war klar, als er in der Pause eines Steve-Reich-Konzertes nach Hause rannte und ein Keyboard holte, um die mit religiöser Andacht lauschenden Besucher aufzumischen – mit seiner eigenen Version der Minimal Music. Heute spielt er 20 Instrumente: Banjo, Mandoline, Klavier, Orgel, Cembalo, auch einige Blasinstrumente, davon natürlich keines wirklich virtuos, aber für seine Shows ist das Repertoire genau richtig.

Anfang der Neunziger, nach einem Auftritt beim Münchner Festival „Begegnung mit den Niederlanden“, begann er, im Ausland aufzutreten, in Belgien, Frankreich und Deutschland. Ein zweiter Rudi Carrell ist er trotzdem nicht geworden, er lebt in der Nähe von Hilversum, 50 Prozent seiner Auftritte finden immer noch zu Hause statt. Aber: „In Deutschland macht es einfach Spaß. Das Publikum kennt die ganzen Werke. Musik ist hier eine zweite Sprache“.

Zum Geschäft gehört, über Kollegen herzuziehen. Hans Liberg würde allerdings niemals etwas über André Rieu sagen, über das dieser nicht selbst lachen könnte. Aber Helmut Lotti, Richard Clayderman, Glenn Gould, Lang Lang – sie alle bekommen ihr Fett weg: „In China gibt es eine Million Pianisten. Musik ist für sie Wettkampf. Lang Lang wirkt, als würde er ständig fragen: Wo kann ich den nächsten Preis gewinnen?“ Aber mit den Jahren ist er auch milder geworden: „Ich habe gelernt, den Shows ihren Lauf zu lassen, die Dinge von selbst kommen zu lassen.“ Und natürlich im richtigen Moment wieder abzubrechen.

Hans Liberg tritt am Montag, 17. 1., mit den Hamburger Philharmonikern in der Berliner Philharmonie auf, 20 Uhr.

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