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Kultur: Der Bär ist los

Fatih Akins „Gegen die Wand“ ist auch in der Türkei ein Erfolg

Auch in der Türkei ist ein Skandal erstmal gut fürs Geschäft. Als Fatih Akins „Gegen die Wand“ in die türkischen Kinos kam, war der Film längst ein Begriff – freilich weniger wegen des Goldenen Bären der Berlinale als wegen der Berichte über die Porno-Vergangenheit von Hauptdarstellerin Sibel Kekilli. Das sicherte dem Film gleich zum Start das Zuschauerinteresse. Doch der Besucherzustrom hält an, obwohl der „Skandal“ schon wieder fast vergessen ist. In den ersten beiden Wochen hat der Film rund 110000 Zuschauer ins Kino gezogen – für türkische Verhältnisse ein großer Erfolg. „Gegen die Wand“ liegt damit auf Platz drei in den türkischen Kino-Charts, in Deutschland belegt er derzeit Platz acht.

Er kenne niemanden, der von Akins Liebes-Drama nicht begeistert wäre, so Ugur Vardan, Filmkritiker der liberalen Istanbuler Zeitung „Radikal“. Auch das Echo der eher konservativen Presse ist überraschend gut. Der Film spricht in der Türkei unterschiedliche Zuschauergruppen an. Hunderttausende kennen die Verhältnisse in Deutschland aus eigener Erfahrung und wissen, wie es sich anfühlt, zwischen zwei Kulturen zu stecken. „Deutschlinge“ nennen die Türken ihre Landsleute in der Bundesrepublik, die zwischen allen Stühlen sitzen.

Doch das Thema der Deutschlinge allein macht in der Türkei noch keinen Kassenschlager. Die meisten Kinogänger in der Türkei verstehen den Film nach Meinung des Kritikers Talip Ertürk von der Istanbuler Zeitung „Vatan“ als erstaunlich radikale Liebesgeschichte – und als authentisch, schon weil sie einige türkische Darsteller wie Meltem Cumbul aus anderen Filmen oder aus Fernsehserien kennen. Unterschiede zu rein türkischen Filmen gibt es trotzdem genug, findet Ertürks Kritikerkollege Vardan. „Duvara karsi“, so der übersetzte Titel von „Gegen die Wand“, sei wesentlich realistischer und sozialkritischer als die meisten, sonst eher melodramatischen türkischen Liebesfilme. Darin erkenne er „Welt-Niveau“. Das wiederum verschreckt so manche Zuschauer: Ihnen wird in Akins Film zu viel geflucht und Gewalt gezeigt. Immerhin hat der Goldene Bär das Selbstbewusstsein des türkischen Films gestärkt. Letztes Jahr haben die türkischen Filme „Uzak“ (Fern) und „Camur“ (Schlamm) in Cannes und Venedig Preise gewonnen. Überhaupt zeigt sich die türkische Filmbranche im Aufschwung. Während vor Jahren höchstens ein halbes Dutzend Spielfilme pro Jahr gedreht wurden, sind es heute 15 bis 20. Ihr Erfolg zieht wiederum neue Regisseure und Produzenten an.

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