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Der Bassist Florian Boesch: Ganz Gesang

Als Einspringer für den Starbariton Thomas Hampson fasziniert Florian Boesch beim Konzerthausorchester mit intensiven Interpretationen von Hugo-Wolf-Liedern.

Thomas Hampson zu ersetzen ist auch für einen bedeutenden Liedinterpreten wie Florian Boesch Herausforderung – zumal das Programm des Konzerthausorchesters eine punktgenaue Landung erfordert. Keinen Raum zum Einschwingen bieten die eng am Wort ansitzenden sechs Lieder nach Goethe und Mörike von Hugo Wolf. Immerhin hat Chefdirigent Iván Fischer das Publikum mit den „Sinfonischen Minuten“ von Ernst von Dohnányi auf taktgenaues Hinhören vorbereitet.

Während Dohnányis Miniaturen vor allem als funkelndes Handwerk wirken, erreichen Boesch und Fischer bei Wolf auf Anhieb tiefere Bewusstseinsschichten. Boeschs Stil fasziniert, weil er zwar ganz Gesang ist, aber in Farbe und Ausdruck deutlich das Vorbild der gesprochenen Sprache durchscheinen lässt. Er hält seinen intensiven Vortrag so von falscher Gefühligkeit frei und erlaubt dem aufmerksam und präzise musizierenden Orchester, aus eigener Kraft zu leuchten. Seine Grenze erreicht dieser Ansatz nur im aufschreienden Fortissimo, wo die Stimme dann doch ein wenig im Instrumentalklang verschwindet.

Wer sich Raum zu etwas weiterem emotionalen Ausschwingen wünscht, wird nicht enttäuscht: Schon dem Eröffnungssatz von Brahms erster Sinfonie schenkt Fischer einen weichen Wohlklang, ohne dabei die kammermusikalische Feinzeichnung zu vernachlässigen. Auch die hartnäckigen auftaktigen Motive, die Brahms so gerne zu harter Durchführungsarbeit heranzieht, wirken nicht protestantisch verbissen, sondern sind meist in größere Bögen eingegliedert. Die traditionelle „Durch-Nacht-zum-Licht“-Dramaturgie wird dadurch allerdings geschwächt: Alphornruf und Choral des Finales eröffnen zwar ein grandioses Klangpanorama, wirken aber nicht mehr als Erlösung von inneren und äußeren Zwängen. Fischer rettet sein Drama, indem er das keusche, hymnische Hauptthema leidenschaftlicher als üblich deutet, seine Dekonstruktion packend als emotionalen Zusammenbruch inszeniert und die abschließende Coda wütend übersteigert. Carsten Niemann

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