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Kultur: Der Berliner Orchesterstreik wächst sich zur Sozialneid-Debatte aus

Wer in nächster Zeit noch einmal in die Deutsche Oper Berlin gehen will, sollte sich bald entscheiden. In den kommenden zwei Wochen will das Orchester des Hauses nämlich seinem Intendanten mal wieder erlauben, dass angekündigte Vorstellungen auch stattfinden können.

Wer in nächster Zeit noch einmal in die Deutsche Oper Berlin gehen will, sollte sich bald entscheiden. In den kommenden zwei Wochen will das Orchester des Hauses nämlich seinem Intendanten mal wieder erlauben, dass angekündigte Vorstellungen auch stattfinden können. Bis zum 31. 10. gibt es also Puccinis "Butterfly", "Bohème" und "Tosca", Wagners "Fliegender Holländer" und der Ballettabend "Rosalinde". Ab November aber dürfte wieder der Lappen in der Bismarckstraße unten bleiben - dann wollen die Musiker ihren Bummelstreik aufleben lassen. Es sei denn, ihr Arbeitgeber verspricht ihnen hoch und heilig, dass dem Orchester ab 2002 die vor kurzem gekündigte Medienpauschale wieder in voller Höhe ausgezahlt wird.

Derzeit ist allerdings völlig unklar, wer im November als Dienstherr über die Deutsche Oper Berlin wachen wird. Zwar hat der jetzige Amtsinhaber Peter Radunski gestern ein informelles Gespräch mit dem Orchestervorstand geführt. Da er als Kultursenator aber in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr zur Verfügung steht, wird man es ihm kaum verübeln, wenn er keine Lust hat, sich in den letzten Arbeitstagen noch an derart heißen Eisen wie den Orchesterkampf an der Deutschen Oper die Finger zu verbrennen. Das überläßt Radunski lieber dem Intendanten der Staatsoper Unter den Linden, Georg Quander. Der nämlich weiß schon, wie der neue Kultursenator das Problem angehen könnte: "Er sollte lieber zwei erstklassige Opernhäuser schaffen als drei nebeneinander bestehen zu lassen, die dann vielleicht über ein gutes Mittelmaß nicht hinauskommen."

An welchen Konkurrenten er dabei denkt, hat Quander nicht verraten. Die Politiker aber, die sich ärgern, dass Musiker mit einem Jahreseinkommen von rund 120 000 Mark Vorstellungsausfälle provozieren, um eine monatliche außertarifliche Zulage von 450 Mark brutto zu retten, könnten da schnell ihre Schlussfolgerungen ziehen.

Dieses Szenario wiederum findet Udo Zimmermann, der designierte Nachfolger Götz Friedrichs als Deutsche Opern-Chef, gar nicht witzig. Wenn er im Herbst 2001 sein Amt in Berlin antritt, will er nicht nur ein schuldenfreies Haus vorfinden, sondern auch einen um 3,4 Millionen Mark aufgestockten Etat, der dann den Subventionen der Staatsoper Unter den Linden entspräche. So hat es Kultursenator Radunski ihm versprochen, und so steht es in Zimmermanns Vertrag, der unterschriftsreif vorliegt. Nachverhandlungen kommen für ihn um keinen Preis in Frage.

An einen eventuellen Rücktritt denkt er aber auch nicht. Zimmermann, derzeit Leipziger Opernintendant, wundert sich nur darüber, dass in der Hauptstadt inzwischen schon Musiktheatermacher zur Schließung von Kultureinrichtungen aufrufen. Aber mit der Solidarität ist das in der Berliner Kulturszene derzeit sowieso ein merkwürdig Ding. 1999 ist das alte Schlagwort zum Brieftaschenargument der Besserverdienenden geworden. Manchmal werden allerdings auch richtige Fragen gestellt. Warum, wollte beispielsweise ein ehemaliges Orchestermitglied der Deutschen Oper wissen, ist eigentlich sein Intendant Götz Friedrich nicht als Erster mit gutem Sparbeispiel vorangegangen, als im vergangenen Jahr das 19-Millionen-Mark-Defizit des Musiktheaters bekannt wurde? Warum hat Friedrich nicht angeboten, künftig als Regisseur an seinem eigenen Haus zum Nulltarif zu arbeiten, warum hat er nicht seine Gattin, die Sopranistin Karan Armstrong, zum Ensemblemitglied gemacht, anstatt sie weiterhin als Gast-Sängerin mit saftigen Abendgagen an der Deutschen Oper zu beschäftigen?

Andererseits: Je länger der häßliche Stellungskrieg an der Deutschen Oper andauert, desto größer wird das Risiko, dass der Kampf um den status quo in eine handfeste Sozialneid-Debatte umschlägt. Die Privilegien, die sich Kulturmacher in den fetten Subventions-Jahren erkämpft haben, stoßen beim Steuerzahler auf Unverständnis. Da kann es nicht lange dauern, bis nach dem Marktwert der Künstler gefragt wird. Die Orchestermusiker sehen dieser Frage locker entgegen - schließlich hätten sie ihre gesamte Jugend drangegeben, um Tonleitern zu üben. Ein Argument, dass im Kunstbetrieb nicht zieht. Wenn es nach der Dauer und Beschwerlichkeit des Ausbildungsweges ginge, müssten Ballett-Tänzer (Jahresgehalt an der Deutschen Oper: 78 000 Mark) und Chorsänger (84 000 Mark) mindestens dasselbe verdienen wie Orchestermusiker.

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