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Kultur: Der Dauerläufer

Seit 40 Jahren zeigt Anselm Dreher in seiner Berliner Galerie, was andere erst später entdecken

Auf dem Art Forum sei er „der Senior“ gewesen, lacht Anselm Dreher: „Aber mit einem jungen Programm!“ Da stand der 1940 Geborene zwischen Sperrholzfundstücken, die das Künstlerduo Köbberling und Kaltwasser zur begehbaren Aussichtsplattform recycelt hatte. Als Dreher seine Galerie im Dezember 1967 eröffnete, war Martin Kaltwasser zwei Jahre alt und Folke Köbberling noch nicht geboren. „Man darf nicht nur in den Kategorien der eigenen Generation denken. Die Kunst muss passen“, so Dreher.

Passend fand auch John Armleder die jungen Kollegen. Deren raumgreifendes Podest aus rauen Holzabfällen stellt der Schweizer Konzeptkünstler nun in den direkten Dialog mit einer seiner Furniture-Sculptures – einem präzis gearbeiteten, weiß lackierten Tisch aus der Serie „Pourtant, elle tourne!“. Man kann das gleichsam als Hommage an den Galeristen lesen: „Und er bewegt sich doch!“, scheint Armleder, dem Dreher 1988 die erste Einzelausstellung in Berlin widmete, zu grüßen.

Aus einem geschickt verwobenen, ebenso persönlichen wie kunstgeschichtlichen Kontext hat Dreher eine geradezu museale Schau der Konzeptkunst von den Pioniertagen bis in die Gegenwart komponiert. Von Blinky Palermo oder Lawrence Weiner bis zu Rolf Julius. „Das sind meine Säulenheiligen“, sagt Dreher, und was einem heilig ist, gibt man nicht dem schnöden Mammon hin. Preise nennt er zu diesem Anlass nicht, denn das Jubiläum ist als Präsentation seiner Haltung gedacht.

Natürlich gehört auch Heimo Zobernig dazu. Ein Video-Interview zeigt ihn als lebende Halbbüste, hin und wieder glucksend oder mit den Mundwinkeln zuckend. Der Gesprächspartner bleibt unsichtbar, darf dafür aber die Antworten auf seine Fragen gleich selbst liefern. Ein launiger Kommentar zu Kunst und Kunstbetrieb: Der Künstler schweigt darüber, wovon er nicht sprechen kann.

In Zobernigs Blickachse stellt Karin Sander den Galeristen als Kleinplastik auf einen hohen Sockel. Sanders seit 1998 entstehende Serie menschlicher 3D-Bodyscans bietet Anselm Dreher allerdings durch und durch in Weiß dar. Ein Kontrast zu seinem sonst konsequent schwarzen Outfit, mit dem er samt Baskenmütze die Kunstszene vor vierzig Jahren betrat.

Die schwarze Kappe wurde schon während des Studiums der Kunstpädagogik an der Berliner Hochschule für bildende Kunst zu seinem Markenzeichen. Den Beruf des Kunsterziehers hat Dreher hingegen erst gar nicht ergriffen. Weil es ihn mehr faszinierte, mit Künstlern zusammenzuarbeiten und etwas anzustoßen, eröffnete er eine Kellergalerie in Steglitz.

Räumlich hat sich Dreher seither nur noch einmal bewegt und 1971 in Charlottenburg eine Ladengalerie eröffnet. Als die West-Berliner Kunstwelt noch in „neuer wilder“ Malerei schwelgte, wurden hier Künstler wie Carl Andre oder Joseph Kosuth vorgestellt. Mit dem Standort hält es Dreher wie mit seinem Minimal- und Konzeptprogramm: „Vieles wird erst später begriffen. Man braucht Durchhaltevermögen.“ Das stellt der dienstälteste Berliner Galerist hoffentlich noch lange unter Beweis. Michaela Nolte

Galerie Dreher, Pfalzburger Str. 80, bis Ende Januar, Di-Fr 14-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr.

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