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Kultur: Der Dokumentarfilm von Ebbo Demant

Der Kosmos steckt in jedem Sandkorn - Von der Leere lernenSilvia Hallensleben Vor einigen, wahrscheinlich doch wieder schon vielen Jahren, waren Wüstenerlebnisse einmal das Nonplusultra westlich-urbaner Reisekultur. Der Sahara-Trip, wie es alternative Reiseführer nennen würden, "ein Muss" im Sozialarbeiter-Lebenslauf.

Der Kosmos steckt in jedem Sandkorn - Von der Leere lernenSilvia Hallensleben

Vor einigen, wahrscheinlich doch wieder schon vielen Jahren, waren Wüstenerlebnisse einmal das Nonplusultra westlich-urbaner Reisekultur. Der Sahara-Trip, wie es alternative Reiseführer nennen würden, "ein Muss" im Sozialarbeiter-Lebenslauf. Der Kosmos und Ich. Was kann schon die Erfahrung einer einsam sternüberschwebten Nacht im Wüstensand überbieten? Ebbo Demants Dokumentarfilm "Wüste" knüpft direkt an solchen Wüstenexistenzialismus an. Doch er rückt ihn in eine mehrfach gebrochene Perspektive.

Lange schon war die Wüste ein Ort, um menschliche Erfahrung spirituell zu überhöhen. Grenzerfahrungen als uralter Quell geistiger Abenteuer und Lebensenergien. Aber die Wüste lebt auch ganz praktisch, und nicht nur in Gestalt von Springmäusen und Klapperschlangen. Auch menschliches Leben hat sich in den Trockenzonen der Erde angesiedelt. Mönche verschiedenen Glaubens. Nomaden. Und die Wüste wandert. Ein altes Beduinenenpärchen harrt trotzig in den Trümmern einer ehemals lebendigen Marktstadt in der Sahara aus. Von islamischen Geistlichen arbeitet sich dieser Film über mehrere Kontinente und Zwischenstationen wie einer Gruppe von Meditations-Touristinnen ("Umarme den Kosmos und spüre die Weite der Wüste") bis zu Astronomen vor, die die besondere Reinheit chilenischer Wüstenluft nutzen, um dem Ursprung des Universums nachzuforschen.

Vielleicht sind solche Forscher ja die Mönche der Moderne. Oder nur Außenposten einer anderen technokratischen Kultur, die die Wüste vom asketischen Ort des Fast-Nichts zum Un-Ort macht, zum bloßem Verfügungsobjekt, wo man neue Waffen erst testet und später die giftigen Überreste verbuddelt. "Wüste" ist, obwohl eine SWF-Produktion, jede Minute Kino. Nicht nur wegen der naturgemäß großartigen Bilder, die gibt es auch. Sondern weil Demant auf die Kraft seines Materials vertraut. Dabei unterlegt er den Bildern Passagen aus "Die Stadt in der Wüste" von Antoine Saint-Exupéry, die in ihrer altertümelnden, manchmal fast biblischen Diktion ebenso kommentieren wie irritieren. Der definitive Versuch, die Wüste zu besiegen, ist wohl Las Vegas. Hier hat Demant das im Bau begriffene Hotel "Venetian Hill" gefunden, angeblich der größte Hotelkomplex der Welt. Mit enormem Aufwand wird hier die bald versunkene Wasserstadt mit Kanälen und Markuspalast und Mall im Wüstensand nachgestellt. Hier, in dieser Kulissenwelt, entfaltet der Begriff der Wüste als Metapher ein anderes, sein Gegenbild. "Nicht mehr eine Stadt, sondern die leere Hülle einer Stadt, mit Toten angefüllt, die zu leben glauben". Noch schleppen Bauarbeiter Rigipsplatten über die pseudovenzianischen Brücklein. Und wir machen vielleicht einen Spaziergang zum debis-Teich.Heute 19.30 (CineStar 8), morgen 14.45 Uhr (Arsenal)

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