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Kultur: Der doppelte Anton

Am lustigsten ist es, wenn die Kamera über die mexikanischen Berge hinweg in einen Sonnenauf- oder -untergang hineinschwenkt.Nie haben wir die Tatsache, daß es Tag und wieder Nacht wird, so fotografiert gesehen.

Am lustigsten ist es, wenn die Kamera über die mexikanischen Berge hinweg in einen Sonnenauf- oder -untergang hineinschwenkt.Nie haben wir die Tatsache, daß es Tag und wieder Nacht wird, so fotografiert gesehen.Das geht über jede Postkarte.Heldenhaftes Gestirn! Du gleichst dem Zorro.Jedem Abgang folgt eine neue, strahlendere Auferstehung.Das Zorro-Prinzip.

Und auf Anthony Hopkins (Z1) folgt Antonio Banderas (Z2).Denn ein Zorro-Film allein für die Grauen Panther, das funktioniert ja irgendwie doch nicht.Warum es im Zeitalter der Postmoderne (oberste Einsicht: "ich" sind viele) nicht mal mit zwei Zorros probieren? Also wird Z1 von den Unterdrückern und Volksfeinden Mexikos erwischt, seine Frau erstochen, die Tochter weggenommen und er selbst in finstre Verliese gesperrt.Als Hopkins da wieder rauskommt, fühlt er sich plötzlich ziemlich alt.Und trifft den Straßenräuber Banderas.Und will nicht eher ruhen, als bis aus Banderas Z2 geworden ist.Erstmalig in einem Zorrofilm (Regie: Martin Campbell) werden wir Zeuge der schweren Lehr- und Ausbildungsjahre eines Volkshelden.Erstmalig in einem Zorrofilm kann es auch passieren, daß, wenn Z2 oben vom Dach auf sein Pferd springt, das Pferd unten schon weg ist.Das liegt auch an der Postmoderne.Mißtraut den Meisterdenkern und Meisterjockeys, lautet ihr zweiter Grundsatz.Jeder war mal ein Anfänger! Neu ist auch, daß Banderas gegen eine Frau (etwas maskenhaft schön: Catherine Zeta-Jones) fechten und ihr dabei sämtliche Kleider vom Leibe fetzen darf.Das ist sicher eine Reminiszenz an den Oben-und-unten-ohne-Film "Zorro und seine lüsternen Mädchen", dem deutschen Beitrag zum Genre von 1972.Unterstrichen wird so die aktive Rolle der Frau, es könnte aber trotzdem Ärger mit den Feministinnen geben.

Die Atmosphäre des Films ist genau das, was man der Leninschen Revolutionstheorie zufolge eine "revolutionäre Situation" nennen müßte.Allen ist so umstürzlerisch zumute.Tod den Unterdrückern! Lange nicht mehr gesehen sowas im Kino.Von Lenin her sollte man das ausgeprägte Einzelgängertum Zorros kritisieren.Er sucht einfach nie die Verbindung zu den revolutionären Massen.Am schönsten wirken Volksaufstände aller Art eben doch auf der großen Leinwand.Schade, daß Lenin über diesen Aspekt der Revolution nicht nachgedacht hat.

Die Fechtszenen, urteilen Fachleute, sollen internationalem Standard entsprechen.Banderas ist der schönste Zorro aller Zeiten, schrieb eine Fernsehzeitschrift.Aber das ist überhaupt nicht wahr.Alain Delon war der schönste Zorro aller Zeiten.Unser ganzes Taschengeld haben wir damals, Mitte der Siebziger, ins Kino getragen, ungefähr zweimal pro Woche, weil wir noch nie zuvor einen derart schönen Mann gesehen hatten.Und wie der reiten konnte! Und fechten! Und trotzdem so ungeheuer geistvoll war.Unsere Eltern mußten sich das irgendwann auch mitangucken.Aber wir spürten bald, daß Erwachsene viel zu alt sind, um richtig gute Filme überhaupt erkennen zu können.Und heute ist das wohl noch ganz genauso.

In 19 Berliner Kinos, OmU im Cinemaxx Potsdamer Platz und in der Kurbel

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