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Kultur: Der doppelte Enzensberger

Ein

von Gregor Dotzauer

Kurz vor neun ploppte die EMail gestern morgen auf. Ihr Absender, der Deutsche Taschenbuch Verlag, ihre Mitunterzeichner, die „FAZ“ sowie Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno, gaben eine „kurze Mitteilung“ zu Protokoll, deren ideeller und stilistischer Ehrgeiz im Widerspruch zu ihrem Informationsgehalt steht. „,Frankfurter Allgemeine Bücherei’“, ist darin zu lesen, „so heißt ein verlegerisches Projekt, das im Herbst 2005, rechtzeitig zur Buchmesse, vorgestellt wird. Ihm liegt ein neuartiges, in Deutschland nie erprobtes Modell zugrunde: Ein führendes Zeitungsunternehmen und ein bedeutender Buchverlag vertrauen einem Schriftsteller eine Reihe an, die von beiden Partnern getragen wird. Im Gegensatz zu anderen Publikationen, die von Pressehäusern unter die Leute gebracht werden, soll hier nicht der Geiz als Tugend gelten. Die zwölf Titel, die alljährlich vorgelegt werden sollen, zielen vielmehr auf höchste Qualität, was die Autoren, die editorische Sorgfalt und die Ausstattung angeht.“

Wer sind die Autoren? Was soll die Reihe kosten? Und vor allem: In welchem Verhältnis steht sie zur legendären „Anderen Bibliothek“, die Enzensberger im Frankfurter Eichborn Verlag herausgibt? Kein Wort dazu. Stattdessen: Vertröstung – und auf Nachfrage keine Auskunft. DTV-Verleger Wolfgang Balk hält es für branchenüblich, mit derart angezogener Handbremse vorzupreschen. Peter Asmussen, Mitglied der „FAZ“-Geschäftsführung, gibt sich arglos. Und Franz Greno empfiehlt, sich doch bitteschön an Verleger Balk zu wenden.

Der Grund liegt auf der Hand: Enzensberger ist noch bis Ende 2007 bei Eichborn unter Vertrag und hat im Monatsrhythmus genau das zu liefern, was er der „FAZ“ mit offenbar identischem Konzept versprochen hat: die besten Wiederentdeckungen und das Aufregendste von heute. Enzensberger ist also momentan der Diener zweier Herren – und die „FAZ“ vom Einstieg ins lukrative Zusatzgeschäft (rund 30 Euro sollen die Abonnenten-Vorzugsausgabe und die spätere Buchhandelsversion kosten) weiter entfernt, als ihr dünkt. Matthias Kierzek, Vorstand der Eichborn AG, sieht dem Start der Reihe deshalb gelassen entgegen: Juristisch ist er gewappnet – und für den Fall der Fälle auch zur Klage bereit. Bis dahin bietet er Enzensberger Gespräche für einen würdigen Abschluss der „Anderen Bibliothek“ an – um einen Kompromiss zu schaffen, gegen den sich der Dichter bisher sperrt.

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