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Kultur: Der dreifache Alltag

Den 16.Juni 1998 hat das Theater am Halleschen Ufer zum diesjährigen Motto für seine mittlerweile etablierten "20 Minutes"-Abende erhoben, in denen drei verschiedene Regisseure jeweils zwanzig Minuten zum Sujet beisteuern dürfen.

Den 16.Juni 1998 hat das Theater am Halleschen Ufer zum diesjährigen Motto für seine mittlerweile etablierten "20 Minutes"-Abende erhoben, in denen drei verschiedene Regisseure jeweils zwanzig Minuten zum Sujet beisteuern dürfen.Und am 16.Juni, erklärt zunächst die Performerin Christine, stand sie um neun auf, langweilte sich anschließend und lud ferner Sean und Tatjana zum Essen ein.Sean erinnert sich dann an Mohrrüben und wirft Tatjana vor, sämtliche Hühnchen gegessen zu haben, woraufhin Tatjana aus irgendwelchen Gründen an Erdnußbutter denkt und infolgedessen von einer Autofahrt spricht, die sie rauchend und schweigend mit einem Ralf verbrachte.Und da Berit Stumpfs "20 Minutes" den Titel "Screen Memories" tragen, sind nebenbei auf einer Leinwand Frauen auf Sommerwiesen sowie kellnernde oder mit Badehosen und Expandern ausgestattete Männer zu sehen.Die Regisseurin tendiert erklärtermaßen zur britischen Live Art - in gegenständlicher Übersetzung also zur lebendigen oder auch durchlebten Kunst -, und daß man am 16.Juni von Erdnußbutter zu Autofahrten mit Ralf abschweifen und daß das dann auch witzig sein kann, ist unbestritten.Nur ist dieses anything-goes-Kalkül immer schnell durchschaut: "Screen Memories" erschöpft sich weitestgehend im schmerzfreien Zitat des vielzitierten postmodernen und multimedialen und metakommunikativen (und so weiter) Wort- und Bildermülls.

Bei Jörg Laue, der mit seiner Lose Combo den 16.Juni 1998 ebenfalls in den Bildern verschwinden läßt, zerfasert die Erinnerung hingegen mit geradezu mutiger Ernsthaftigkeit: Laue läßt auf einen silbrigen Quader mehr oder weniger abstrakte Videos projizieren und eine Performerin in "20 Minuten für John Lennon" auch über James Joyce und über die Schärfe und Unschärfe und den "Schmerz" der Wahrnehmung reflektieren und "flirrende Bilder" gegen "schwankende Worte" abgrenzen; und die Gedanken sind in Laues suggestivem "zeitgenössischen Musiktheater" ja sowieso immer frei.

Die gegenständlichste Freiheit wird an diesem Abend von der Schaubühnen-erprobten Katka Schroth vorgeführt: sie assoziiert den besagten Sommertag mit Klappbetten, Keksen und drei Menschen, die Unverständliches murmeln.Manchmal ist "Zweizimmerwohnung, Hinterhaus, dritter Stock" zu decodieren; nachdem ungefähr vier der Schrothschen "20 Minutes" verstrichen sind, betritt ein erster Animateur die Bühne, ißt einen Keks und legt sich auf eine Pritsche."Kommt doch!" heißt der Beitrag, und es kommen dann noch sehr viele, während seitens des Publikums die Verweigerer eines interaktiven Theaters sich zur Gestaltung ihrer individuellen Performance ins Foyer zurückziehen und dort mit ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit sehr gut zurechtkommen.

Noch einmal heute (6.12.) um 21 Uhr.

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