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Soldaten in einem Bergunterstand an der Isonzo-Front. Aquarell von Bogumil Car (1917)

© Kroatisches Historisches Museum

Der Erste Weltkrieg im Museum: Heldendämmerung

Hundert Jahre nach seinem Beginn zeigt das Deutsche Historische Museum eine große Ausstellung über den Ersten Weltkrieg. Zu sehen sind Maschinengewehre, Flammenwerfer, Bomben - und 500 weitere Exponate. Die Schau gleicht einer Materialschlacht.

Mit gezücktem Säbel dem Feind entgegenstürmen, dabei ein Lied auf den Lippen. Schnelligkeit würde über den Sieg entscheiden. So hatten sich die meisten Menschen um 1910 den nächsten Krieg vorgestellt: als großes Hurra-Unternehmen. Auch die Pläne der Militärs waren ganz auf die Offensive ausgerichtet. Nach dem Schlieffen-Plan sollten die deutschen Truppen in einer Zangenbewegung von Belgien aus nach Paris vorstoßen, Frankreich innerhalb von wenigen Wochen besiegen und sich dann mit ganzer Kraft dem Gegner Russland im Osten zuwenden.

Die Besucher der Ausstellung „1914–1918. Der Erste Weltkrieg“ im Deutschen Historischen Museum, die am Mittwoch von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet wird, müssen durch einen schmalen Korridor. Links hängen das martialische Kaulbach-Porträt einer säbelschwingenden Germania mit der Aufschrift „Deutschland – August 1914“ und ein Gemälde, das eine Handvoll aufrecht über ein Feld eilender Pickelhauben-Krieger zeigt. Rechts sind in einer Vitrine zwei Regimentsfahnen zu sehen, wie sie beim Angriff in der ersten Gefechtsreihe getragen wurden – eine russische und eine deutsche.

Doch am Ende des Korridors steht ein Maschinengewehr, das die Besucher gewissermaßen ins Visier nimmt. Es waren solche Waffen, die schon im Spätsommer 1914 den Mythos vom dynamischen Eroberungsfeldzug vernichteten. Aus dem Bewegungs- wurde ein Stellungskrieg, der Erste Weltkrieg entwickelte sich zum industriellen Morden. Ungefähr 450 Schuss feuerte das Maschinengewehr M 1908 pro Minute ab. Seine maximale Reichweite lag bei 4000 Metern, umfasste also große Teile des Vorfelds vor einem Schützengraben. Das Nachfolgemodell M 08/15 gab ganzen Generationen von Landsern einen Spitznamen.

„Es muss doch ein sehr eigentümliches Gefühl sein, hinter einem M.G. zu liegen, das gegen vorrückende Infanterie arbeitet“, schrieb ein deutscher Soldat in einem Feldpostbrief. „Man sieht sie kommen und lenkt diesen furchtbaren Hagel auf sie.“ Nachdem der deutsche Vormarsch im September 1914 an der Marne zum Stillstand gekommen und damit der Schlieffen-Plan gescheitert war, gruben sich die Kriegsparteien ein. Offensiven wurden zusammengeschossen, jeder Geländegewinn von wenigen Quadratkilometern forderte einen ungeheuren Blutzoll. Als im November 1914 beim belgischen Ort Langemarck ein Reservekorps eine Hügelkette zu erobern versuchte, wurden 2000 junge deutsche Kriegsfreiwillige von Maschinengewehren niedergemäht. Der Heeresbericht behauptete, die Rekruten hätten bei der Attacke „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen. Ihr „Heldentod“ wurde noch von den Nationalsozialisten glorifiziert.

Die von Juliane Haubold-Stolle, Andreas Mix und Sven Lüken konzipierte Ausstellung gleicht einer Materialschlacht. Auf 1100 Quadratmetern präsentiert sie rund 500 Exponate aus 13 Ländern. Die Kuratoren hatten Konsequenzen aus dem Handelsembargo mit Russland befürchtet, aber auch von dort trafen alle Stücke pünktlich in Berlin ein. Darunter befinden sich ein Bullauge des Panzerkreuzers Aurora, der 1917 mit einem Kanonenschuss das Signal zum Sturm auf das Winterpalais gab, und eine Fahne, bei der während der Novemberrevolution das Symbol des Zaren übernäht wurde.

Kriegstrophäe. Von Ernst Jünger erbeuteter Stahlhelm eines britischen Offiziers.
Kriegstrophäe. Von Ernst Jünger erbeuteter Stahlhelm eines britischen Offiziers.

© Deutsches Literaturarchiv Marbach

Die Ausstellung findet im Untergeschoss des Pei-Baus statt, auf grabenförmig im Zickzack springenden Läufern führt der Weg an expressionistisch zerklüfteten Kojen und Räumen vorbei. Es gibt 20 Themenräume, die meisten davon sind je einem Ort gewidmet, der für eine Etappe des Krieges steht – Ypern, Tannenberg, Verdun, Gallipoli. Das Licht ist theatralisch auf die Vitrinen gerichtet und ansonsten gedimmt, die Farbe der Ausstellungsarchitektur: feldgrau. Der Ort erinnert an einen Bunker. Oder ein Grab.

Gekonnt arbeiten die Ausstellungsmacher mit Effekten. Ihr Hauptthema ist die Eskalation von Gewalt und Verrohung im Laufe des Krieges. Im Verdun-Raum ist, ausgeliehen aus Brüssel, ein früher Flammenwerfer zu sehen, eine Höllenmaschine, die Angst und Schrecken verbreitete. Etwas abseits steht ein sogenanntes Multostat-Gerät, mit dem in deutschen Lazaretten Patienten Elektroschocks verabreicht wurden, die am „Kriegszittern“ litten. Heilungschancen: gering. In der Schlacht von Verdun siegte 1916 keine Seite, aber jeweils etwa 250 000 deutsche und französische Männer starben.

Der Krieg war ein Großlabor für Versuche an lebenden Objekten. Am Anfang des Luftkrieges wurden aus den Flugzeugen per Hand Fliegerpfeile abgeworfen, angespitzte Metallstifte, die Helme glatt durchschlagen und Menschen töten konnten. Sie waren allerdings wenig treffsicher. Über ihnen hängen in der Ausstellung Fliegerbomben, wie sie ab 1915 in Gebrauch kamen. Einen Weltkrieg später sollten sie Städte zerstören.

Bei Ypern setzten die deutschen Truppen 1915 erstmals Chlorgas ein. Ein Zivilisationsbruch. Über tausend alliierte Soldaten starben. Doch strategisch war die neue Waffe wirkungslos, auch die Alliierten benutzten bald chemische Kampfstoffe. Ein Dutzend Gasmasken sind in einer Vitrine arrangiert. Nähert sich der Besucher, hört er das Geräusch einer Holzratsche – damit wurden damals die Soldaten vor einem Gasangriff gewarnt – und Licht aus Punktstrahlern fällt auf die Masken.

Die Ausstellung beginnt mit Filmbildern vom Vorkriegsleben in den europäischen Metropolen und marschierenden Truppen bei Militärparaden. Präsentiert wird die „moderne Welt von gestern“ – so der Titel des Eröffnungsraums – als Nebeneinander von globalisierter Wirtschaft und rückwärtsgewandtem Wohnstubenplüsch. „Es ist immer das Gleiche, so langweilig, langweilig, langweilig“, klagte der Dichter Georg Heym 1910. „Dieser Friede ist so faul, ölig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten Möbeln.“ Die Großmächte schlossen sich zu waffenstrotzenden Bündnissen zusammen, aber die dynastischen Verbindungen standen quer dazu. Bemerkenswert ist ein Revolver mit einem „V“ auf dem Griff, den Kaiser Wilhelm II. von seiner Großmutter Queen Victoria geschenkt bekommen hatte. Der Enkel hat ihn den ganzen Krieg über bei sich getragen.

Die Julikrise von 1914, der welthistorische Augenblick zwischen der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und den Kriegserklärungen, ist als Wandcollage mit Sonderblättern und Zeitungstiteln aus Frankreich, England, Amerika, Russland und Deutschland gestaltet. Der Besucher erfährt nicht mehr, als die Zeitgenossen damals in ihrer beschränkten Sicht wussten. Aus der aktuellen Historikerdebatte um die Kriegsschuld hält sich die Ausstellung heraus. Christopher Clark hatte in seinem Bestseller „Die Schlafwandler“ geschrieben, Deutschland sei genau wie die anderen Mächte halb unfreiwillig in den Krieg gerutscht.

Im Begleitbuch widerspricht Gerd Krumreich: Die Hauptverantwortung für die Eskalation liege bei der „Risikopolitik des ,lieber jetzt als später’“ von Wilhelm II. und seinen Deutschen. Die sehenswerte, manchmal etwas kleinteilige Ausstellung endet mit dem wandgroßen Foto eines Gräberfeldes. Daneben liegt ein Stahlhelm, der einem Freikorps-Kämpfer gehörte. Er trägt ein Hakenkreuz.

Deutsches Historisches Museum, bis 30. November. Täglich 10–18 Uhr. Das Begleitbuch „Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten“ (Theiss Verlag) kostet 24,95 €.

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