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Kultur: Der ewige Dilettant

Arndt und Partner: ein Museum für Anton Henning

Fenster auf, mehr Licht und Luft: Das ist der erste Gedanke, wenn man Anton Hennings Ausstellung in der Galerie Arndt und Partner betritt. Die Räume sind abgedunkelt, Wand und Boden milchkaffeebraun gestrichen. „20 Jahre Dilettantismus“ hat der Künstler seine Retrospektive überschrieben. Das klingt kokett. Tatsächlich hat sich Henning ein Museum gebaut – oder ist es ein Mausoleum?

Wo sind die Unbekümmertheit und die Chuzpe geblieben, wo das Schwelgen des Sinnenmenschen, die barocke Gier, malend alles zu verschlingen: Essen, Frauen, Wein und Kunst?

Malerei ist für Henning ein Akt der Verdauung. „Komposition mit frischen Ruppiner Steinpilzen, Gartenrucola, Parmesan mit Schubertschem Riesling, Auslese Abstberg, 1989, dazu Apfeltorte“ heißt ein Bild aus den Neunzigern, gemalt mit den Exkrementen aus obigen Zutaten. Wie die Steinpilze scheint sich der Künstler auch visuelle Eindrücke einzuverleiben. Doch die Maßlosigkeit von einst ist trüber Altväterlichkeit gewichen. Selbst ein kleines Stillleben mit Kerze wird noch bedeutungsschwer überhöht durch einen doppelt breiten Leuchtrahmen aus Holz. Sicher ist das alles ironisch gemeint, doch die Ironie führt nicht zur Pointe, sondern in eine Sackgasse.

„La route des peintres“ (1999), die Arabeske im Stil von Matisse unter glänzenden Epoxidharz verewigt, dient als Navigationssystem durch die Schau. Die Schleife ist Hennings Markenzeichen, mit ihr umschlingt er die Kunstgeschichte von Courbet bis Duchamp. Im Rückblick aber fehlt der Kampf, aus dem Neues entsteht – es bleibt beim Namedropping. Scherenschnitte von Matisse haben den Maler zu seinem kurvenreichen Einzeller inspiriert, dem Hennling. Bei Sonnenuntergang schwebt das Wesen über eine Lichtung. Hennings Farben ahmen biedermeierlich Wald und Fluridyllen nach.

Wie anders war das bei den Lounges, in denen noch die Großstadteindrücke von London und New York nachklangen, wo Henning bis 1994 lebte. Orange, Gelb und Blau passten Ende der Neunziger gut nach Berlin. In Kellern und Ruinen waren Clubs entstanden. Chillen galt als coole Reaktion der plötzlich jungen Stadt auf das rasende Tempo historischer Veränderung. In Hennings Lounge konnte das Publikum zwischen den Farben von Himbeersorbet und Orangenparfait ausspannen. Dazu gab es softe Cocktailmusik. Erneut gezeigt wird das Video der Manker Melodie Makers: Henning spielt darin einen Manager und Musiker zugleich. Unvergessen auch sein strahlendes Interieur bei der Art Unlimited in Basel 2001. Die Farben schienen von einer außerirdischen Lichtquelle hochgejauzt. Ihre cremige Opulenz feierte noch frech die fetten Jahre, auch wenn diese längst vorüber waren.

Wann kippte die Sinnenfreude in Selbstbezüglichkeit? Im Salon, den die Galerie Arndt und Partner 2003 zeigte, ahnte man die Grenzen dieser Kunst, die sich fröhlich durch alles knabbert, was ihr vors Auge gerät. In den eleganten Räumen hing ein Selbstporträt des Künstlers als alter Faun. Im angrenzenden Boudoir folgten Pin-ups und Softpornos. Sie zeigten, dass Hennings Malerei mit der Flachheit der Vorlage endet. Von dem unersättlichen Courbet, den er oft zitiert, hätte er lernen können, Erotik frei von Anzüglichkeit zu malen. Auch Picabia kann mit seinen Kitschfrauen nicht für jeden Herrenwitz verantwortlich gemacht werden.

Lounge, Interieur, Salon – die einheitliche Raumgestaltung kaschierte seine Sprunghaftigkeit. In der aktuellen Retrospektive ist sie offenbar. Im zweiten Stock der Galerie – diesmal bei Tageslicht – fällt auf, wie unkonzentriert das Werk ist. „Ein autopoetisches System“ nennt es der Maler. Selbstbefruchtung zeugt Kopfgeburten. Schleife, Kringel, Schnörkel, Löckchen halten die disparaten Arbeiten zusammen. Die Schlinge als Masche. Kringel um die Augen im Porträt, Schnörkel von Fett in rohem Fleisch, kühne Kurve in der weißen Plastik, dreimal von Perlen umschlungen. Anton Henning dreht sich um sich selbst.

Galerie Arndt und Partner, Zimmerstraße 90/91, bis 19.4., Di-Sa 11-18 Uhr.

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