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Kultur: Der Feind in der Figur

„Wiedergeburt und Auferstehung“: der erste Ballettabend der Forsythe Company in Dresden

Von Sandra Luzina

Dresden macht wieder als Tanzstadt von sich reden. The Forsythe Company hat ein Standbein in Hellerau, mit Aaron Sean Watkin steht nun auch ein Forsythe-Vertrauter an der Spitze des Dresdner Balletts. Der 35-jährige Kanadier hat einen hochtrabenden Titel für seinen Einstand ausgewählt – „Wiedergeburt und Auferstehung“. Doch der Neustart ist ihm geglückt. Bei der ersten Ballettpremiere am Sonntagabend wehte ein frischer Wind durch die Semperoper. Mit Balanchines Tschaikowsky-Ballett „Thema und Variationen“ und William Forsythes „Enemy in the Figure“ standen zwei Meisterwerke auf dem Programm; der neue Hauschoreograf David Dawson hat mit „Das Verschwundene“ schon mal seine Visitenkarte abgegeben.

Watkin tritt mit ehrgeizigen Plänen an: Seine Compagnie soll künftig in der ersten Liga mittanzen. Dazu setzt er auf ein unverwechselbares Profil: Er will die Compagnie stärker dem zeitgenössischen Tanz öffnen und neben Dawson weitere junge Choreografen verpflichten. Watkin bürgt für profundes Wissen und Vielseitigkeit: Der Kanadier war beim English National Ballet und bei Het Nationale Ballet in Amsterdam engagiert, tanzte bei William Forsythe in Frankfurt und Nacho Duato in Madrid. Bei der Neuformierung der 60-köpfigen Companie hat Watkin ein gutes Gespür bewiesen. Mit Bridget Breiner vom Stuttgarter Ballett, Yumiko Takeshima aus Amsterdam und Jirí Bubenícek aus Hamburg wird das Ensemble von einer exzellenten Trias angeführt. Takeshima und Bubenícek legen in Balanchines „Thema und Variationen“ einen brillanten Auftritt hin, nachdem der von Elena Vostrotina und Dmitry Semionov interpretierte Grand Pas Classique, Victor Gsovsky nachempfunden, etwas unterkühlt dargeboten wurde. Yumiko Takeshima begeisterte durch ihre flinken Fußarbeit, ihre schöne Attacke und ihre stupenden Balancen – ihre funkelnde Eleganz wird aufs schönst ergänzt von Bubeníceks dunkler Sinnlichkeit.

Das Corps de ballet in himbeerroten Tutus umrankt und umgarnt das Solistenpaar mit fließenden Formationen, die zugleich eine mathematische Präzision besitzen. Auch wenn die Tänzer manchmal noch der von David Coleman dirigierten Sächsischen Staatskapelle hinterherliefen, hatte die Aufführungen doch mitreißenden Drive. William Forsythe hat sich für „Enemy in the Figure“ von den utopischen Skizzen des Architekten Daniel Libeskind anregen lassen. Die 1989 entstandene Choreografie brachte den Begriff „Dekonstruktivismus“ ins Spiel. Ein schwindelerregendes Stück, wenn es richtig interpretiert wird. Das kühne Aufsprengen der Ballettsyntax sind den Dresdnern noch nicht ganz geläufig, dennoch hat dieser „Enemy“ mit seinen wirbelnden, schlingernden, spiraligen Bewegungen etwas Atemberaubendes.

Bei David Dawson ist die Ballettwelt dann wieder in Ordnung. Zum „Silentium“ aus „Tabula Rasa“ von Arvo Pärt sieht man pathetische Port de Bras, wo der Blick immer wieder gen Himmel gerichtet wird. Nach den rasenden Destabilisierungen Forsythes wirkt diese weichgespülte Bewegungsmeditiation fast schon restaurativ. Trotz des wattigen Ausklangs: Watkins Compagnie berechtigt zu den schönsten Hoffnungen.

Wieder am 14., 16., 19., 23. und 26.11.

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