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Aufpasser, aufgeputscht? Ein leerer Laden liefert eine zweideutige Überschrift zu dieser Szene am Rande eines Protestes.

© Christoph Löffler

Der Fotograf Christoph Löffler: Zwischen Parolen und Pfefferspray

Christoph Löffler geht seit 15 Jahren in Berlin zu Demonstrationen. Vor acht Jahren begann er, die Proteste mit der Kamera festzuhalten.

Manchmal möchte Christoph Löffler einschreiten. In diesen Momenten fällt es ihm schwer, nur daneben zu stehen und auf den Auslöser seiner Kamera zu drücken. So war es bei einer Demonstration gegen die Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule im letzten Jahr. „Polizisten haben den Leuten in den Magen geschlagen, um eine Sitzblockade aufzulösen. Sie haben Jugendliche gewürgt, Ältere auf den Boden gedrückt“, erzählt der Fotograf in einem Café in Kreuzberg. Eines seiner Bilder von diesem Tag zeigt, wie ein Mann mit ausgestrecktem Arm auf dem Asphalt liegt, regungslos, mit geschlossenen Augen.

Der 31-jährige Christoph Löffler fotografiert soziale Proteste, seit er 16 Jahre alt ist. Sein erstes Mal war die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin. „Damals gab es eine ziemlich starke rechte Bewegung und ich wollte politisch etwas tun“, sagt er. Erst mit Plakaten, später mit seinen Bildern. Ein oder zwei Mal im Jahr ist er zu Kundgebungen gegen Rassismus oder Rechtsradikalismus gegangen, und als er seine Rolle vom Teilnehmer zum Fotografen vor acht Jahren wechselte, fiel ihm das erst einmal nicht leicht. „Das politische Interesse verschwindet ja nicht“, sagt er. „Aber bei meiner Arbeit mache ich mich davon möglichst frei.“

Gelernt hat Christoph Löffler an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin. Eines seiner Vorbilder ist James Nachtwey, der zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen Dokumentarfotografie zählt. Er ist besonders durch seine Bilder aus Kriegsgebieten bekannt geworden. Auch den amerikanischen Fotografen und Soziologen Lewis Hine (1874–1940) nennt Löffler als Vorbild. Anfang des 20. Jahrhunderts – das Genre der sozialdokumentarischen Fotografie nahm langsam Form an – reiste Hine quer durch die Vereinigten Staaten und fotografierte Kinder, die in Fabriken und Minen, auf Feldern und auf der Straße arbeiteten. Seine Bilder trugen mit dazu bei, dass es bei der Kinderarbeit erste Reformen gab.

Bilder schaffen, die bewegen, die zum Nachdenken anregen, das möchte auch Löffler. „Kunst muss immer eine Aussage haben“, findet er. „Und im besten Fall kann sie gesellschaftliche Zustände verbessern.“ Eines seiner Themen ist Polizeigewalt. So zeigt er auf einem Bild, wie ein Beamter eine Demonstrantin würgt. Ihr Mund ist offen, die Kieferknochen treten hervor, sie schreit. „Ich glaube, dass Polizisten bei Protesten schnell abstumpfen, so brutal wie sie hin und wieder sind. Und das darf nicht sein“, sagt der Fotograf.

Auf einem anderen Bild sind drei Beamte in Uniform, von hinten zu sehen. Vor ihnen ein leer stehender Laden mit dem Schriftzug „Cocaine Cowboys“. Christoph Löffler erklärt: „Ich will damit nicht sagen, dass Polizisten koksen. Es geht mit etwas Witz darum, mit wie viel Adrenalin sie manchmal in eine Demo hineingehen.“

In den Neunzigern waren die Proteste heftiger, sagt Löffler

Aufpasser, aufgeputscht? Ein leerer Laden liefert eine zweideutige Überschrift zu dieser Szene am Rande eines Protestes.
Aufpasser, aufgeputscht? Ein leerer Laden liefert eine zweideutige Überschrift zu dieser Szene am Rande eines Protestes.

© Christoph Löffler

Was der Fotograf festhalten möchte, sind auch die unbemerkten Momente am Rand des Tumults. Auf einem seiner Bilder ist der Besitzer eines Asia-Supermarkts zu sehen, wie er lässig an der Hauswand lehnt und einen Polizistenzug an sich vorbeiziehen lässt. Ein Grüppchen von Demonstranten sitzt ein paar Fotos weiter auf einer Blumenwiese im Kreis. Ein anderes Motiv zeigt eine Polizistin auf der einen Seite einer Absperrung und einen Mann mit Hut auf der anderen. Er hat einen Laptop auf dem Schoß, vielleicht ist er Journalist und muss ein paar Zeilen an die Redaktion schicken. Die beiden plauderten ein wenig, erinnert sich Löffler. Alles um sie herum war noch so ruhig, so friedlich.

Gefährlich wird es für den Fotografen selten. Nur einmal ist Christoph Löffler verhaftet worden, bei einem Protest gegen den Klimagipfel in Kopenhagen vor vier Jahren. Trotz Ausrüstung und Presseausweis. Ansonsten waren die Demonstrationen in Hellersdorf gegen das Flüchtlingsheim für Fotografen ziemlich riskant. „Die Teilnehmer positionierten sich offen gegen Journalisten und drohten ihnen mit Gewalt. Mit weniger Polizisten wäre die Lage dort sicherlich mal eskaliert.“ Bei aller Kritik an den manchmal harschen Einsätzen weiß Löffler, dass die Polizei bei Demonstrationen notwendig ist – auch für seine Sicherheit.

Ob sein Job ihn über die Jahre verändert hat? Ja. Vermutlich schon. Früher, sagt Löffler, wurde er schnell panisch, wenn Polizisten Pfefferspray einsetzten und Demonstranten randalierten. „Heute denke ich, da sind die Teilnehmer, da die Beamten, und dort fliegen Steine. Aha.“ Er ist nüchterner geworden, unaufgeregter. Allerdings seien die Proteste in den neunziger Jahren auch noch heftiger gewesen, mit mehr Krawall. „Heute dominiert doch eher die Staatsmacht.“

Dass Bilder etwas verändern können, dass sein Job eine Wirkung hat, hat Christoph Löffler einmal erlebt: In Tübingen machte er 2010 eine Serie über eine Flüchtlingsunterkunft und stellte die Fotos aus. Politiker diskutierten daraufhin über das Heim, das Leben für die Bewohner verbesserte sich. „In Berlin hingegen schwand meine Motivation irgendwann. Es kamen immer weniger Leute zu den Flüchtlingsprotesten in Kreuzberg, die Bewegung fiel nach und nach in sich zusammen.“ Trotzdem hält Löffler Demonstrationen für wichtig. „In einer Demokratie zu leben, bedeutet auch, seine Rechte einzufordern, und wenn man dafür auf die Straße geht“, sagt er. Wofür die Menschen einstehen, wofür sie ihre Stimme erheben, das ist es, was Löffler zeigen möchte.

Mit einer Ausnahme. Bei einer „Bärgida“-Demo war Löffler, dem kürzlich seine Ausrüstung gestohlen wurde, noch nicht. Auch in Zukunft will er sich fernhalten. Er spricht von einem schlimmen Weltbild, von gefährlichen Parolen und Hetze. Davon, dass er ein entschiedener Gegner dieser Bewegung ist. „Für mich käme nur die Gegendemonstration infrage“, sagt er. Um der Pegida-Bewegung auf keinen Fall eine Plattform zu bieten.

Info & Bilder unter: www.chloephoto.de

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