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Kultur: Der Furchtlose

Zum Tod des Schauspielers Eberhard Esche

Jetzt bräuchte man den Humor, die Überlegenheit, den Spott, mit denen Eberhard Esche die große Welt der Gesellschaft und der Politik und die etwas andere Welt des Theaters betrachtete. Er hat sich nicht abhängig gemacht, ist seinen Weg gegangen, ohne Rücksicht auf Kleingläubige und Feigherzige. Regisseure, die seinen Anforderungen hätten genügen können, fehlten ihm schon seit langem, auch in ein Ensemble wollte er sich nicht mehr fügen. Dafür feierte er Triumphe als Rezitator, oder besser: als souveräner Gestalter eigener Theaterabende.

Esche war ein Meister der Sprache. Er erhob sie zum Instrument seiner Kunst, ließ Figuren und Szenen wie aus dem Nichts erstehen. Die Klassiker verteidigte er gegen Eigenmächtigkeit der Interpreten, gegen Verschleiß, Verkürzung, Verballhornung. Das Deutsche Theater Berlin, dessen Ensemble er ab 1961 angehörte, war für ihn ein Hort „hohen“ Theaters, sich selbst bezeichnete er als einen klassischen Schauspieler. Er beherrschte sein Handwerk, war ein Fanatiker der Genauigkeit, unterwarf jede Geste einer geradezu vibrierenden Musikalität. Und er suchte Gleichgesinnte und Gleichbegabte, fand sie unter den Regisseuren Wolfgang Langhoff und Benno Besson – nach diesen großen Theaterschöpfern wurde ihm das Haus zunehmend fremd. Also schrieb er Bücher, blitzgescheite, subjektive Bücher und verschonte kaum einen, mit dem er in Berührung kam, Regisseure nicht, Kritiker schon gar nicht.

Dennoch: Mit ihm zu reden, zu streiten, seine Arbeit zu beschreiben, war ein Genuss. Dass einer so felsenfest von sich und seiner Mission überzeugt ist, klassische Dichtung in ihrer Größe erlebbar zu machen, war hinreißend. Am 25. Oktober 1933 geboren, spielte Esche nach Anfängerjahren in Meiningen und Chemnitz in Berlin große Rollen in Stücken von Euripides, Shakespeare, Schiller, Hofmannsthal, Hacks. Für immer mit seinem darstellerischen Genie verbunden bleibt Lanzelot in „Der Drache“ von Jewgeni Schwarz unter Regie von Benno Besson. Das Jungenhafte, Draufgängerische der Figur erfasste er ebenso wie die Trauer des Helden über Menschen, die sich vor Freiheit fürchten. Dieser ragende Mann mit dem Schwert verbarg sein Wissen über das Leid der Welt mit einem oft schmerzlichen Lächeln. Solches Lächeln konnte bei Esche auch zum lauten Spaß werden. In seinen Solo-Programmen, etwa in „Reineke Fuchs“ nach Goethe gab es oft kein Innehalten vor deftiger Wirkung. Aber die beherrschte und steuerte er eben auch.

Am Montag ist Eberhard Esche nach kurzer, schwerer Krankheit in Berlin gestorben. Mit ihm geht einer der Letzten des legendären DT-Ensembles, das in der DDR die Fantasie, Kraft und Würde großen Theaters verteidigte. Esche fühlte sich als Wahrer dieser Tradition, sorgte auch für Plastiken und Bäume auf dem Theater-Vorplatz, bereitete vielen vor ihm gestorbenen Freunden und Kollegen einen feinfühligen Abschied. Nun wird einer reden müssen für ihn, der viel zu früh Bühne und Lesepult verlassen hat. Für einen, der ein Souverän war im Reich der Künste.

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