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Kultur: Der Gangster, den man lieben muss

Nicht einfach, ein Foto zu finden, auf dem man ihn nicht gleich erkennt. Die Zigarette nicht ganz im Mundwinkel zum Beispiel.

Nicht einfach, ein Foto zu finden, auf dem man ihn nicht gleich erkennt. Die Zigarette nicht ganz im Mundwinkel zum Beispiel. Die Stirnfalten hinter der Wuscheltolle verborgen. Kein breites Grinsen, das die besonders breiten Lippen ein bisschen schmaler macht, sondern ein zufälliger Tarnschatten überm Mund. Und selbst die Nase wirkt im Gegenlicht fast fein, nicht wie die eines Boxers, der er mal in früher Jugend war: Ja, auch die Nase macht sich dünne.

Im Ring aber und im Scheinwerferlicht, nicht in dem des Boxers, hat er bis ins mittelhöhere Alter gestanden, als ewig jugendlicher (Gangster-)Held, als Dreiviertelstarker und französischer James Dean mit der Gnade des längeren Lebens: Jean-Paul Belmondo , der heute 70 wird. Liebevoll tauften seine Landsleute ihn schon früh „Bebel“ (zu betonen auf der zweiten Silbe) – ein Idol für alle, die zu seiner Zeit und auch ein bisschen später jung waren. Also: eine Identifikationsfigur. Einer, der es auch in schlechten Filmen – und davon gab es eine ganze Menge – ganz hervorragend richtete. Ein James Bond aus dem alten Europa, der seine Stunts, sagt die Legende, immer lieber selber erledigte (so wie sein asiatischer Kollege Jackie Chan). Ein Pfundskerl auch, oft ein Böser – aber nie ein ganz Schlimmer.

Es ist der Charme, der ihn immer rausgepaukt hat aus den schlimmsten Filmen, und es ist der doch stereotype Charme, der dem Theaterschulabsolventen den Aufstieg ins große Charakterfach lebenslang verwehrte – aber wollte er denn da hin? Wollte er nicht lieber der Liebling der Massen sein?

Er war es. Er bleibt es – eine Ikone, ja, eine wie zum Anfassen, im profanen Sakralraum Kino. Angefangen hat der Bildhauers- und Malerinnensohn aus Neuilly bei Paris genau genommen mit seinem achten Film, Godards „Außer Atem“ (1959), da war er 26. Und zum ersten Mal ein Gangster, den man lieben musste. Seine Rolle machte ihn und Godard weltberühmt – und die Nouvelle Vague gleich mit. Und nur drei Jahre später, in seinem bereits 24. Film, mit Philippe de Brocas Mantel-und-Degen-Spektakel „Cartouche, der Bandit“, hatte ihn auch das große Publikum ins Herz geschlossen. Der Weg dahin, auch mit Chabrol, Sautet, Melville: Das waren die Jahre der Verheißung. Später mimte Belmondo, in allerlei Filmen, den dauerschlaksigen Haupt- und Selbstdarsteller, bis er über 50 war – als Haudegen, als Draufgänger, als Frauenheld. Eine Mischung fast für immer, bis denn doch, vor siebzehn Jahren, „Der Profi 2“ floppte.

Schon möglich, Fotos zu finden, die ihn so wie heute zeigen. Aber erkennen wir den älteren Herrn mit weißem Haar, schwarzen Augenbrauen, der ins noch Breitere gezogenen Nase und den Stirnfalten ohne Ende? Und, wichtiger noch, wollen wir „Bebel“ so sehen? Etwas hat sich zurückgezogen aus diesem Gesicht, das noch immer lacht, wenn es sich fotografieren lässt. Der Wind vielleicht. Das Verwegene. Die Lust am Spiel. (Foto: Cinetext)

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