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Kultur: Der Geistesmensch und die Politik Heinz Dürr über das Deutsche Theater Berlin

Bei der Lektüre eines Interviews im Tagesspiegel hat mich Senator Thomas Flierl irgendwie an Thomas Bernhard erinnert, der den Geistesmenschen erfunden und beschrieben hat. Er muss Senator Flierl aus Berlin als Vorlage gehabt haben.

Bei der Lektüre eines Interviews im Tagesspiegel hat mich Senator Thomas Flierl irgendwie an Thomas Bernhard erinnert, der den Geistesmenschen erfunden und beschrieben hat. Er muss Senator Flierl aus Berlin als Vorlage gehabt haben. Der so genannte Geistesmensch verzehrt sich in einem, wie er meint, Epoche machenden Werk und hat sich am Ende doch nur lächerlich gemacht. Ein Geistesmensch will immer auch aufrichten, er will etwas neu aufrichten, er denkt in Kategorien der Erneuerung. Er weiß, dass nur etwas zu erneuern ist, das veraltet ist, das also alt ist. Naturgemäß ist alt immer auch neu, denn der Zustand vor dem Altwerden muss neu gewesen sein. Sonst wäre das nicht alt geworden. Klassische Theatertradition ist alt. Die schwebt dem Senator vor. Und Christoph Hein ist sein Direktor.

Christoph Hein ist alt, aber davor war er neu. Ich traue ihm zu, wieder neu zu werden und, dass alles seine Ordnung hat, dazu wird er Manager um sich scharen. Er weiß: Kunst kommt von Können. Er kann was, da gebe ich ihm Vorschuss. So wie bei Bernd Wilms, den viele nach Thomas Langhoff als den Niedermacher des Deutschen Theaters sahen. Der es in seinen drei Jahren bisher ganz gut gemacht hat. Aber Hein darf sich nicht zu sehr dem Geistesmenschen Flierl nähern. Der inszeniert sein Geistesmenschsein in geistiger Haltung. Was meint er damit? Kann ein Laden, und als solchen hat er ja das DT bezeichnet, geistige Haltung produzieren? Ein Laden, also ein Geschäft, produziert immer etwas. Dafür sorgen die Manager. Sie wollen Output und wissen doch, dass ohne Input gar nichts geht.

Vielleicht geht es ja dieses Mal anders als beim ThomasBernhardschen-Burgtheaterdirektor, der vom Minister bestellt wird, weil der glaubt, er sei ihm von allen der nützlichste, natürlich immer nur aus politischen Gründen, niemals aus künstlerischen. Hein wird ja nicht hochgelobt, und deshalb ist er nach zwei, drei Jahren auch kein toter Mann. Nur wenn einer hochgelobt wird von der Presse, kann ihn die anschließend auch vernichten und ständig an dem Ast sägen, auf welchem der neue Mann sitzt. Sollte das gar ein Trick sein, den Mann bei null anfangen zu lassen, keine Erwartungen herzustellen, einfach anfangen und Altes einfach erneuern? Ich glaube, auf eine solche Idee kann nur ein Geistesmensch kommen.

Heinz Dürr, nach Rücksprache mit Thomas Bernhard. – Der Autor ist Industrieller und war viele Jahre Vorsitzender des Freundeskreises des Deutschen Theaters.

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