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Kultur: Der Genaue

Zum 70. Geburtstag des Schauspielers Dieter Mann

Überfliegt man das Verzeichnis der Rollen, die Dieter Mann im Theater, im Film, im Fernsehen gespielt hat, drängt sich eine Schlussfolgerung auf: Dieser Mime kann alles. Aber Dieter Mann wiegelt da ab. Zum fröhlichen Komödianten hat er sich nie berufen gefühlt, obwohl er auch auf die schwerelos beschwingte Art Glanzleistungen vollbracht hat. Der Kellner Jean aus Georg Kaisers Revue „Zwei Krawatten“ aus dem Jahr 1976 am Deutschen Theater etwa ist noch immer unvergessen. Dieter Mann mag es ernster, gewichtiger, ohne auf Humor, auf Ironie zu verzichten. Deshalb sind die von ihm verkörperten Figuren reich, widersprüchlich, offen. Der Schauspieler gibt den Helden klassischer und zeitgenössischer Dramen eine Lebenskraft, die aus Arbeit kommt, aus dem Mühen um die Lösung schwieriger Aufgaben.

Dennoch ist gedankliche Schwere die Art des Dieter Mann durchaus nicht. Er bleibt auch den großen Figuren gegenüber frei, selbstbewusst. Er mag die Schurken, die er oft im Fernsehen gespielt hat, weil Bösewichter Auskunft geben über den Charakter der Gesellschaft, in der sie leben. Dieter Mann spielt immer mit Gründen. Der Arbeitersohn steht in seinem jahrzehntelangen künstlerischen Wirken für Genauigkeit, für Solidität. Es muss stimmen, was da auf die Bühne und in die Öffentlichkeit kommt, und es muss zu sehen sein, dass da etwas erarbeitet worden ist. Wunderbar skurrile Leute hat Mann verkörpert, mit kleinen und großen Schrullen, Alltagsmenschen, über die man schmunzeln, in die man sich verlieben darf. Daneben stehen Schillers Wallenstein und Lessings Tempelherr, Shakespeares Ariel oder Julian aus Hugo von Hofmannsthals „Der Turm“. Er steht zu der Überzeugung, dass es an jedem Theaterabend um die Würde des Menschen geht.

Begonnen hat sein Weg 1964 am Deutschen Theater. In einem staunenswert unangepassten Stück des russischen Dramatikers Viktor Rosow spielte er einen frechen Jungen, den Welt- und Menschenentdecker Wowa, an der Seite von Christine Schorn. Die Aufführung war ein Triumph, eine Befreiung, Dieter Mann, quirlig, lebendig, schalkhaft und klug, hatte fortan seinen Platz im einzigartigen Langhoff-Ensemble sicher. So bestimmte das Deutsche Theater für lange Zeit seinen weiteren Weg, Dieter Mann war schon bald einer der großen Charakterspieler, und das ist er bis heute. Was er nie geahnt, nie angestrebt hatte, trat zwanzig Jahre später ein: Er musste in die Bresche springen, ließ sich überreden, Intendant zu werden. In der Zeit inszenierten Heiner Müller und Frank Castorf am DT. Dieter Mann lernte, dass auch ein Intendant keine Macht im landläufigen Sinne hat, dass Zuhören wichtig ist. So konnte er die für ihn „harte Zeit“ 1991 mit der Übergabe der Intendanz an Thomas Langhoff beenden.

Auf der Tafel der Ehrenmitglieder des Deutschen Theaters im Rangfoyer steht seit 2004 auch der Name Dieter Mann. Wowa, der freche Welteroberer, ist aufgestiegen in den Rang der Klassizität. An diesem Montag feiert er seinen 70. Geburtstag. Christoph Funke

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