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Kultur: Der Groove von Havanna

David Zink Yi im Neuen Berliner Kunstverein.

Rhythmus gehört zu den Dingen, die sich einfach anhören, aber schwer zu bewerkstelligen sind. Ihn zu erklären, ist sinnlos. David Zink Yi trommelt gegen eine Ausstellungswand im Neuen Berliner Kunstverein. Dabba da baa. Laut antiker Metrik handelt es sich um einen Choriambos; Freunde in Havanna haben es ihm beigebracht. Hat er auf seiner ersten Kubareise 2000 musikalisches Neuland betreten? „Naja“, sagt Zink Yi, „ich bin afro-peruanisch sozialisiert, da gibt es Parallelen in der Musik.“ Anfangs habe er die Musiker in Kuba einfach imitiert, erzählt er in Berlin. Das richtige Gefühl, der Groove, habe sich von selbst eingestellt.

David Zink Yi, 1973 in Lima geboren, siedelte mit 16 Jahren nach Deutschland über, seine Ausbildung als Künstler absolvierte er in München und Berlin. Sein Werk kreist um den Begriff der Identität. Was kennzeichnet einen Menschen, eine Gruppe? Identität ist Möglichkeitsform, aufgefächert, polyphon, darum geht es auch in dieser ersten Soloschau.

In seiner Zweikanal-Videoinstallation „Horror Vacui“ dokumentiert Zink Yi die Proben der Latin-Band De Adentro y Afuera, die er mitgegründet hat und deren Songtexte er schreibt. Der 6/8-Rhythmus zieht sich durch den gesamten Film, ein Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Ein improvisatorisches Zusammenspiel, eine soziale Plastik, Klang-Weberei ohne Direktor. Raffinesse beweist Zink Yi nicht nur in der dialektischen Bild-TonMontage. Er verbindet die musikalischen Sessions mit Aufnahmen religiöser Rituale, die in der Region praktiziert werden. Profaner und sakraler Bereich durchdringen einander, Melodien und Rhythmen wiederholen sich.

„Horror Vacui“ malt ein abstraktes Bild kultureller Identität. Der Titel irritiert, denn die europäische Angst vor der Leere ist dort unbekannt. Im Gegenteil: Musikalische Pausen bieten die Option, sich einzumischen. Und vielleicht inszeniert Zink Yi demnächst einen richtigen Horrorfilm, in Peru. Genre- und Gattungsgrenzen ignoriert der Künstler jedenfalls, trotz seines Erfolgs mit KeramikTintenfischen hat er sich nie auf Bildhauerei beschränkt. „Konzeptkunst liegt mir nicht“, sagt er, „die Gefühle geben den Weg vor.“ Unheimliche Pfade mitunter: Mit den „Twilight Images“, die im Kunstverein in eine labyrinthische Ausstellungsarchitektur eingepasst sind, beendet er seine Arbeit in Kuba. Gleichzeitig erzählt er, dass die Schwarz-Weiß-Fotos auch der Recherche zu jenem Horrorfilm dienen. Es sind Ansichten eines nächtlichen Parks, Langzeitbelichtungen, die aussehen, als wäre Friedrich Wilhelm Murnau mit der Kamera durch Havanna spaziert. Das Besondere: die Fotos sind in Aussparungen der Wände platziert, je nach Lichteinfall verändern sie sich. Auch Bilder haben viele Identitäten. Jens Hinrichsen

bis 29. 4.; Di - So 12 - 18, Do 12 - 20 Uhr

Jens Hinrichsen

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