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Kultur: Der Guru übt sich in Routine

Der kanadische Theatermacher Robert Lepage, in dürren Zeiten für viele bereits ein Theaterzauberer, Theatermagier gar, liebt es, in seinen oft hinreißenden, manchmal technoiden Projekten das zusammenzuführen, was nicht unbedingt zusammengehört.So verdanken wir ihm mit "Needles and Opium" einen staunenswerten One-Man-Trip über das (wirklich stattgehabte) Aufeinandertreffen von Jean Cocteau und Miles Davis.

Der kanadische Theatermacher Robert Lepage, in dürren Zeiten für viele bereits ein Theaterzauberer, Theatermagier gar, liebt es, in seinen oft hinreißenden, manchmal technoiden Projekten das zusammenzuführen, was nicht unbedingt zusammengehört.So verdanken wir ihm mit "Needles and Opium" einen staunenswerten One-Man-Trip über das (wirklich stattgehabte) Aufeinandertreffen von Jean Cocteau und Miles Davis.Das mehrstündige Spektakulum "The Seven Streams of the River Ota" verklammerte faszinierend Auschwitz und Hiroshima, KZ und Atombombe, Abendland und Fernost in der Geschichte einer jüdischen Fotografin.In seinem Film "Confession" brachte vor dem Hintergrund (und in wohl konstruierter Parallelität) zu Hitchcocks Dreharbeiten zu dessen Beichtgeheimnis-Thriller "I confess" ein Mann Licht in sein Familiendunkel.

Wie immer bei Lepage überlagern sich dabei unmerklich Ebenen und Erzählschichten, wird virtuos mit Schein und Sein, Projektionen und echten Akteuren, Maschinenphantasien und Menschenspiel jongliert.

In "Geometry of Miracles", seinem jüngsten, von den Salzburger Festspielen koproduzierten und auf der Halleiner Perner-Insel gezeigten Stück, mag sich allerdings die ganz gewöhnliche Geometrie des Erstaunens früherer Lepage-Theaterwunder nicht einstellen.Zwar ist auch dieses neuerliche Zusammentreffen berühmter Leute ein work in progress, das auf seinen diversen Tourneestationen noch starke Veränderungen erfahren wird, doch diesmal fehlt dem Abend einfach die entscheidende Mitte, das inhaltliche Zentrum."Where is the beef?", hätte da die alte Dame aus der McDonald-Reklame gefragt.

"Geometry of Mircales" will von zwei Gurus des 20.Jahrhunderts erzählen, einem westlichen und einem östlichen, von ihren Jüngern und den Auswirkungen ihrer Heilslehren.Der eine ist der Architekt Frank Lloyd Wright, der Meister des organischen Bauens, der Ende des 19.Jahrhunderts dem viktorianischen Plüsch die Kargheit seiner Präriestilhäuser entgegenstellte, der - in Amerika geächtet - in Japan Fuß faßte und noch 1959 mit seiner letzten Inkunabel in Beton, dem New Yorker Guggenheim-Museum, Gebäudegeschichte schrieb.Der andere ist der kaukasische Denker und Mystiker George Ivanowitsch Gurdjieff, der bei Fontainebleau ein "Institut zur harmonischen Entwicklung des Menschen" für vorwiegend reiche, dem Okkultismus zugeneigte Neurotiker führte und sogar Berühmtheiten wie Sergej Diaghilew, Aldous Huxley, Katharine Mansfield und Peter Brook in seinen Bann zog.Unter dem Einfluß des Sufismus tanzte man derwischartige Reigen.Andere zivilisationsgeschädigte Gemüter taumelten zur gleichen Zeit auf dem Monte Veritß der Sonne entgegen oder marschierten auf dem Nürnberger Zeppelinfeld auf.

Die historische Klammer zwischen dem Architekten-Dandy und dem Mystagogen-Mufti war Wrights Ehefrau Nummer 3, Olgivanna, eine Russin und Schülerin Gurdjieffs.Auf ihr Betreiben hatte Wright 1932 in seiner Waldeinsamkeits-Zuflucht Taliesin eine an sozialistische Ideale angelehnte Lebens- und Arbeitsgemeinchaft für angehende Architekten nach Wisconsin gegründet.1934 kam dann Gurdjieff selbst dorthin.Beide Menschheitsbeglücker schätzten einander angeblich, zumal sie auf unterschiedlichem Terrain agierten.

Aus diesem Material versucht nun Robert Lepage seine theatralischen Funken zu schlagen.Mehr als ein müdes Glimmen ist es freilich (noch) nicht geworden.Auf einer Holzfläche, vor einer schrägen Leinwand und unter Zuhilfenahme eines flexibel einsetzbaren Zeichentischs beginnt das lose schlackernde Stationendrama 1929 in der Wüste Arizonas mit einem faustischen Teufelspakt zwischen dem pinkelnden Wright und dem nackten Beelzebub Gurdjieff.Es endet 1985 in einer Schwulenbar in Denver, wo Wrights Schwiegersohn Station macht, die Urnen mit der Asche und Franks und Olgivannas in einem Einkaufsbeutel, um diese in der Wüste zu verstreuen.

Dazwischen sagen zehn Akteure in wechselnden Rollen vorwiegend Lexikonweisheiten auf und bewegen sich abgehackt unter Gurdjieffs Tanzmeisterfuchtel.Frank Lloyd Wright ist lediglich als Phantom präsent, man sieht ihn mit Hut, Staubmantel, Stock und grauen Haaren immer nur von hinten.Die Faszination des kaukasischen Hexenmeisters wird nie wirklich spürbar, über die Inhalte seiner Lehre nichts gesagt.Im Hintergrund paradieren Stalin und Lenin, Meyerhold und Trotzki als historische Schemen, vorne hüpfen weißgekleidete Jünger im Quadrat.Olgivanna und andere Verwandte referieren Familiengeschichte, man hangelt sich Dekade für Dekade durch das Jahrhundert, mischt Privates mit Welthistorie, hakt Biographisches ab, spielt, spricht und tanzt ein wenig.Kolportage, die nicht so recht weiß, was sie will.

Immerhin, Robert Lepage ist auch auf Sparflamme für bannende Bilder gut.Nur zwei sind diesmal die magere Ausbeute.Der hippelige Bohnerwachsfabrikant Herbert F.Johnson (Thaddeus Philips) diktiert seiner Sekretärin seine Briefe per Stepptanz - Fred Astaire als Arbeitgeber, da knattern die imaginären Tasten wie geölt.Und als Wright ihm die Pläne für das später weltberühmte Johnson-Verwaltungsgebäude vorstellt, führt er ihm das Prinzip seiner revolutionären freitragenden Pilzstützen mit Hilfe von Gläsern und Tellern am Abendessenstisch gleich praktisch vor.In solchen Momenten erhebt sich die Imagination über den Inhalt.Plötzlich ist der dieses Mal nur routinierte Theaterguru Lepage in seinem alten Element.Und zaubert.Ein bißchen.

MANUEL BRUG

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