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Kultur: Der Hausdrachentöter

Adriana Altaras inszeniert Alan Ayckbourn in Potsdam

Ob es nun stimmt oder nicht, dass er seine Gesellschaftskomödien mal eben in fünf Tagen hinhext, wie Alan Ayckbourn gern behauptet – wichtig ist, dass sie so wirken: improvisiert, angetrieben vom stotternden Motor des Zufalls, eben wie im wirklichen Leben. Der 1939 geborene Brite ist eine Art Gioacchino Rossini des Sprechtheaters. Seit 40 Jahren schreibt er ein Stück nach dem anderen. Auf den ersten Blick sind das typische well made plays, zugeschnitten auf die Erwartungshaltung der Besucher seines Theaters im Seebad Scarborough. Auf den zweiten Blick gehen sie weit darüber hinaus und gewähren – wie Rossinis Farcen – tiefe Blicke in die Psyche ihrer Protagonisten. Und wie weiland der italienische Komponist hat er damit einen Riesenerfolg.

In Potsdam wagt sich nun die Regisseurin Adriana Altaras an Ayckbourns handwerklich anspruchsvollstes Stück, „Haus und Garten“, das parallel auf zwei Bühnen abläuft. Auf dem Landsitz der Platts soll eine Sommerparty steigen, doch der Abend wird nicht nur wegen des üblichen englischen Wetters zum Fiasko, sondern auch wegen diverser implodierender Beziehungskisten. Draußen wie drinnen beobachtet jeweils ein Teil des Publikums, wie die Fetzen fliegen. Wenn die doppelte Handlung funktionieren soll, muss das Timing – ohnehin das A und O beim Boulevard – auf die Sekunde genau klappen. Die Schauspieler des Hans Otto Theaters schaffen es bei der Premiere tatsächlich, stets pünktlich zu ihrem Stichwort aufzutauchen.

Wie maßgeschneidert passt auch der Ort zur Aufführung: Weil Intendant Uwe Eric Laufenberg bis zur Fertigstellung des neuen Theaters im Herbst 2006 möglichst selten in der hässlichen Blechbüchse am Alten Markt spielen will, ist er ständig auf der Suche nach Ausweichspielstätten. Für Potsdam-Besucher ist die Freundschaftsinsel, die auf Höhe des Hauptbahnhofs die Havel teilt, eine echte Entdeckung. In den Dreißigerjahren als Lehrgarten angelegt, wurde das Areal mit Sandsteinpergola, Torhäusern und Rosengarten von 1997 bis 2000 liebevoll rekonstruiert. Ein moderner Pavillon, sonst als Café genutzt, wird hier nun zum großbürgerlichen Bungalow, in dem die eine Hälfte der Zuschauer im Wohnzimmer der Protagonisten Platz nimmt, während die andere Hälfte von der Terrasse aus den Blick über gepflegte Rabatten und flache Wasserbassins genießt.

Während drinnen vor allem Wortgefechte stattfinden, lässt Adriana Altaras draußen keine Slapstick-Gelegenheit aus. Da sind Tobias Rott und Franziska Hayner als infantile Kinderfest-Animateure, da ist der verklemmte Dr. Mace von Kay Dietrich, der erst im türkis-lila Tourniertanz-Outfit zum dirty dancer wird, da ist die groteske Sex-bei-Gewitter-im-Zelt- Nummer mit Marcus Mislin und der gnadenlos französisch plappernden Adisat Semenitsch. Vor allem aber ist da die sich hemmungslos entäußernde Anne Lebinsky: Als Vorgarten-Furie Joanna schreit sie ihr Unglück hinaus in die einsetzende Dämmerung, bis sich das Männertreu verschreckt hinterm Vergissmeinnicht niederduckt. Grandios.

Wieder heute sowie am 8., 9., 16., 18. und 24. Juni. Am 17., 25. und 26. 6. gibt es Doppelvorstellungen, so dass man nacheinander draußen und drinnen sitzen kann.

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