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Kultur: Der helle Kontinent

Er ist ein altes Ekel. Lebt allein.

Er ist ein altes Ekel. Lebt allein. Guckt bös aus dem Fenster. Kippt das gute Essen in den Müll. Beißt alle weg, die ihm zu nahe kommen. Beleidigt seinen einzigen Freund. Unterstellt fremden und gutwilligen Menschen, ihm ans Erbe zu wollen. Wirft mit Steinchen auf Nachbars Katze. Nein, Jakob ist nicht zu helfen.

Er ist ein junger Streuner. Lebt allein. Hat kein Zuhause im Ausländerwohnheim, schläft lieber auf einer Bank im Freien. Schmeißt Minijobs, kaum dass sie angefangen sind. Nimmt keine guten Ratschläge an. Flüchtet sich auf die Kuhweide, zaust das Vieh, singt vor sich hin. Ist ein Außenseiter am äußersten Ende der hintersten Seite. Nein, Majok ist nicht zu helfen.

Jakob und Majok. Tausch die Buchstaben, würfel sie um, und der eine verwandelt sich in den anderen. Der Veteran aus Ostindien, das heute Indonesien heißt, und der schwarze Junge aus dem Sudan. Der Achtzigjährige in seinem Reihenhäuschen und der Zwanzigjährige auf der Bank im Gestrüpp davor: Großvater und Enkel aus der kalten Familie namens Mensch.

Jakob (Jan Munter) und Majok (unser Bild: John Kon Kelei) leben im Zwischenland, zwischen den Ländern und unbehaust, ob Dach überm Kopf oder nicht. Auch zwischen den Zeiten: Jakob, der zähe Greis, ist noch nicht ganz tot, und Majok ist noch gar nicht richtig am Leben. So lernen sie sich kennen, eines Morgens. Da schläft doch ein Fremder vor meinem Fenster, den verjage ich wie Nachbars Katze. Da kommt ein Alter aus seinem Bau, der pöbelt, jagt mich aus dem Schlaf unter meiner blauen Wolldecke mit Steinen.

In ihrem ersten Spielfilm macht die niederländische Dokumentaristin Eugenie Jansen , so scheint’s, fast nichts als Zusehen. Schaut in Jakobs Leben rein, zwischen Essensfahrdienst, Besuchen bei Freund Koos und seiner Frau im Altersheim und Blumengängen zum Friedhof, zur eigenen toten Frau. Schaut in Majoks Leben rein, ins Ausländerheim, wo die anderen sich Sorgen machen um ihn, zu ein paar losen Kumpels, oder auch draußen auf die Weide, wo die Kühe stehen. Schneidet die beiden Leben behutsam gegeneinander und dann langsam zusammen. So zusammen wie die schwarzweiß verwischten Tagträume der beiden: Jakobs Träume vom Ostindien damals, junge Gesichter wie aus einem plötzlich bewegten Fotoalbum, und Majoks Träume von Afrika und seiner Sonne hinter den lichten Himmelsspindeln der Bäume.

Man muss das sehen: wie da etwas aufbricht durch eine unvermutete Begegnung, wie ein fertiges und ein anfangendes Leben eine fein veränderte Richtung nehmen. Aber keine Sorge, nichts geht glatt auf. Es gibt in Berlin nur ein einziges Kino, das diesen bemerkenswert reifen, nicht moralisierenden, schweren und schwebenden und sogar spannenden Film zeigt. Aber immerhin: dieses Kino. (Nickelodeon, Torstraße 216 in Mitte; Foto: pegasosfilm)

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