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Kultur: Der Inspirator

Dem Schriftsteller Klaus Theweleit zum 70.

Von Caroline Fetscher

Sagte damals jemand „der Theweleit“, war das Buch gemeint, nicht der Autor. Als die beiden Bände der „Männerphantasien“ herauskamen, 1977 und 1978, stellte ihre Lektüre eine Art Initiationsritus für Geisteswissenschaftler dar, wir Studierenden stürzten uns darauf. Auch der Untertitel versprach allerhand, eigentlich alles: „Frauen, Fluten, Körper, Geschichte“.

Bis heute ist Klaus Theweleits illustriertes Monumentalwerk sein einflussreichstes geblieben. In seiner freejazzigen Kombination aus Psychoanalyse, Poststrukturalismus, Pop und Comics ignorierte der Germanist die Schlagbäume konventioneller Wissenschaft. Den Ursprüngen des Faschismus kam er mit einer Deutungsorgie auf die Spur, bei der es um die Körperpanzer soldatischer Männer ging, deren unterdrückte Homoerotik, die Abwehr des Weiblichen, des Unbewussten, überhaupt all dessen „was fließt“. Robert Crumbs quirlige Comicfiguren gerieten in Juxtaposition zu erstarrten Jugendstilfiguren, Freikorpsromane lösten sich im „Anti-Ödipus“ auf, militärische Mentalität wurde als pervertierte Sexualität entlarvt.

Man versammelte sich abends im Hinterzimmer der Freiburger Buchhandlung „Jos Fritz“ zum Diskutieren „des Theweleit“, die Buchseiten waren randvoll mit Bleistiftnotizen. Hielt unser Inspirator Vorlesungen im Freiburger Audimax, war auch der Saal randvoll.

Klaus Theweleit, geboren am 7. Februar 1942 in Ebenrode, das damals in Ostpreußen lag und heute zu Russland gehört, wuchs nach der Flucht der Familie in Schleswig-Holstein auf. An den Universitäten Kiel und Freiburg begegnete der Student der Germanistik und Anglistik Freud und der Psychoanalyse. Auf die beiden Bestseller-Bände, Früchte seiner Dissertation, folgte eine Serie von Publikationen des „Geschichtsdetektivs“, wie sich Theweleit selber mal genannt hat. Wie ein Kanon gesellschaftskritischer Leitmotive lesen sich seine Arbeitsschwerpunkte, zu denen Faschismustheorie, Gender Studies, Theorie der Medien, Popkultur, Film, Kunst und Macht, die Erfindung Amerikas und die Kolonialismen zählen. Im Zettelkasten des Arno Schmidt der Wissenschaft fehlt eigentlich nur die Ökonomie.

Seinem Erkenntnisinteresse, männliche Macht als koloniales Projekt zu dekonstruieren, ist Theweleit treu geblieben. Im „Buch der Könige“ entthronte er Künstler, die den Pakt mit dem Establishment eingingen, für den „Pocahontas- Komplex“ entwarf er eine mäandernde Theorie von Amerika als kolonialer Konstruktion Europas. Theweleit kommentierte die medialen Reaktionen auf den 11. September, er befasst sich mit Bob Dylan, Jimi Hendrix, Hitchcock, Godard, Fußball, mit der Roten Armee Fraktion, mit Unterhaltungselektronik. Und er spielt weiter als Freejazz-Musiker in einem Trio. Klaus Theweleit, bis 2008 Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Caroline Fetscher

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