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Kultur: Der Kaschmir-Konflikt: Zwei Millionen für den Krieg - jeden Tag

Das Fürstentum Kaschmir war einst äußerst billig zu haben. Der Großvater des Maharadscha Hari Singh kaufte den Briten die 220 000 Quadratkilometer große Region für 7,5 Millionen Rupien und einen zusätzlichen jährlichen Tribut von einem Pferd, zwölf reinrassigen Ziegen und drei Kaschmirtüchern ab.

Von Lutz Haverkamp

Das Fürstentum Kaschmir war einst äußerst billig zu haben. Der Großvater des Maharadscha Hari Singh kaufte den Briten die 220 000 Quadratkilometer große Region für 7,5 Millionen Rupien und einen zusätzlichen jährlichen Tribut von einem Pferd, zwölf reinrassigen Ziegen und drei Kaschmirtüchern ab. Aber die Teilung des Subkontinentes nach der Herrschaft der Engländer in das überwiegend hinduistische Indien und das moslemische Pakistan stellte den Enkel vor ein Problem: Er selbst war Hindu, seine Untertanen zum Großteil Moslems. Das führte Ende 1947 zum ersten Kaschmir-Krieg der beiden jungen unabhängigen Staaten. Der Uno gelingt es 1949 schließlich, einen Waffenstillstand zu verhandeln und eine mehr als 800 Kilometer lange Demarkationslinie quer durch die umkämpfte Region zu ziehen.

Gegensätze

Der Preis, der heute gezahlt werden muss, ist höher, viel höher: 35 000 Menschen haben nach offiziellen Zählungen bei den drei Kriegen und unzähligen Scharmützeln ihr Leben verloren. Inoffiziell ist von 80 000 Opfern die Rede. Allein Indien lässt sich den blutigen Konflikt mit dem verfeindeten Nachbarn Pakistan zwei Millionen Dollar kosten - jeden Tag.

An den religiös-ethnischen Gegensätzen in Kaschmir und den Ursprüngen der Gewalt hat sich bis heute nichts geändert. Weder Indien noch Pakistan haben ihren Gesamtanspruch auf das umstrittene Gebiet aufgegeben. Pakistan sieht nach wie vor die islamische Staatsidee unerfüllt. Indien pocht auf Kaschmir, weil im Land ein Ausbrechen des fruchtbaren und landwirtschaftlich intensiv genutzten Landstriches als der Anfang vom Ende des multireligiösen, multiethnischen Staates gesehen wird. Hinzu kommt, dass sich im Jahrzehnte andauernden Streit in Kaschmir selbst die direkt betroffene Bevölkerung auf eine eigene kulturelle Identität besinnt und auch politisch artikuliert. Eine 1949 beschlossene Volksabstimmung über die eigene Zukunft bleibt den Bewohnern bis heute verwehrt.

Friedensbemühungen hat es seit dem Ende der Kolonialzeit auf dem Subkontinent zahlreiche gegeben. 15 Jahre lang - unterbrochen von mehreren Verletzungen des Waffenstillstandsabkommen von 1949 - verhandeln die Konfliktparteien nach dem ersten Krieg. Weltbank, Uno, die Vereinigten Staaten und andere schalten sich ein - alle Vorschläge und Vermittlungen bleiben erfolglos. Eine Konferenz im Frühjahr 1964 endet in der Katastrophe: Der zweite Krieg beginnt kurze Zeit später, ein dritter folgt 1971. Der letzte Waffengang führt zur Unabhängigkeit Ostpakistans, dem heutigen Bangladesch.

Offene Drohungen

Eine neue Dimension bekommt die Auseinandersetzung 1998. Pakistan und Indien verfügen über Atombomben und sparen nicht mit Drohungen, sie als Waffe gegen den Feind einzusetzen.

Im letzten Mai beendet Indien aufgrund der anhaltenden Terroranschläge die einseitig ausgerufene Waffenruhe. Sieben Wochen später findet erstmals nach zwei Jahren wieder ein Gipfeltreffen statt - Fortschritte in der Sache bleiben indes aus. Am 1. Oktober sterben 38 Menschen bei einem Anschlag im indischen Teil Kaschmirs. Der 13. Dezember markiert das letzte terroristische Blutbad: Im indischen Parlament in Neu-Delhi werden 13 Menschen getötet. Indiens Ministerpräsident Atal Behari Vajpayee gibt Pakistan die Schuld an dem Anschlag und droht dem Nachbarn offen mit Krieg. Dessen Präsident Pervez Musharraf kontert: Pakistan sei für einen Waffengang gut gerüstet.

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