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Kultur: Der kleine Diktator

„Hitlergruß-Prozess“ erneut vertagt.

Der „Hitlergruß-Prozess“ gegen den Berliner Künstler Jonathan Meese ist am Montag, dem zweiten Verhandlungstag, unterbrochen und auf den 14. August vertagt worden. Wie am Abend bekannt wurde, machte die Richterin am Amtsgericht Kassel deutlich, dass sie die Aktion des 43-Jährigen vom 4. Juni 2012 als Teil einer Kunstperformance werten könne. Die Frage sei allerdings, ob die Kunstfreiheit in diesem Fall vor dem sogenannten Rechtsgüterschutz Vorrang habe. Meese selber zeigte sich laut dpa einstweilen begeistert: „Endlich geht es um die Kunstfreiheit. Das ist toll.“

Die Freiheit der Kunst am Beispiel von Jonathan Meese – sie darf also weiter als Fortsetzungsgeschichte erzählt werden. Schon vor zehn Tagen war ein erster Klärungsversuch der Frage gescheitert, wie Meeses Auftritt bei jenem Podiumsgespräch zum Thema „Größenwahn in der Kunstwelt“ am Rande der Documenta 2012 – er hatte den Arm zum Hitlergruß erhoben – juristisch zu bewerten sei. Handelte es sich um eine Performance, zu der sich ein Künstler die vom Grundgesetz garantierte künstlerische Freiheit nehmen darf? Oder machte sich Meese wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen“ strafbar? Der erste Verhandlungstag hatte mit einem Befangenheitsantrag seitens der Meese-Anwälte geendet. Die Richterin hatte ein Gutachten mit der Begründung nicht zugelassen, genau die Klärung dieser Frage sei schließlich Thema der Verhandlung. Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt.

Drei weitere Anträge der Verteidigung wurden am Montag ebenfalls abgelehnt. Meeses Anwälte verwiesen vor dem Amtsgericht vor allem auf eine Akte der Staatsanwaltschaft Koblenz. Diese habe 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen den umstrittenen Künstler eingestellt und einen in Remagen gezeigten Hitlergruß als Kunst anerkannt. Zudem beantragten die Verteidiger erneut, dass ein Gutachten erstellt werden müsse. Mit diesem wollten sie beweisen, dass Meeses umstrittene Nazigruß-Aktion auch von Durchschnittsbesuchern als Kunst erkennbar gewesen sei, hieß es. Außerdem solle sich das Gericht Meeses Internetseite ansehen, auf der er schon oft den verbotenen Gruß gezeigt habe. Die Kasseler Staatsanwaltschaft dagegen war noch aus einem weiteren Grund auf den Plan getreten: Der selbsternannte Propagandist einer Diktatur der Kunst hatte die Abschaffung der Demokratie gefordert. NK

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