zum Hauptinhalt
Erfolgreich. Philipp Fürhofer, hier vor „The Seduction“ (2015), hat Bühnenbilder für Opernhäuser in Amsterdam, Karlsruhe und London entworfen.

© Davids/Sven Darmer

Der Künstler Philipp Fürhofer: Der Krempelritter

Philipp Fürhofer baut opulente Kunstwerke aus Alltagsdingen – und entwirft Bühnenbilder. Zwei Welten, die sich gegenseitig befruchten. Zu Besuch in seiner neuen Ausstellung in Berlin.

Was ist der erotischste Teil des männlichen Körpers? Beim Gang durch die neue Ausstellung von Philipp Fürhofer scheint die Antwort klar: das Dreieck aus Brust, Achsel, Oberarm. Eine Region, die mehrmals in seinen Arbeiten auftaucht, etwa in „Tristan’s Body“ von 2014: Man sieht, im Ausschnitt, den Torso eines jugendlichen Mannes, rosiger Nippel, marmorne Haut, unter der sich Muskeln abzeichnen. Tristan mal ganz anders – auf der Opernbühne wird er ja meist von Männern reiferen Alters gesungen. Über die Brust scheint Regen oder Meeresgischt zu peitschen, in der Ecke des Bildes sind Seile gemalt, Taue, Tentakel. Verweis auf den ersten Akt von Wagners Oper, die verhängnisvolle Überfahrt nach Cornwall? Die Schulter scheint verletzt, zerknülltes Plastik quillt heraus, Tüten, Folien. „Tristan’s Body“ bringt vieles von dem auf den Punkt, was Philipp Fürhofers Kunst ausmacht: die Liebe zur Oper. Die Üppigkeit, Sinnlichkeit und Opulenz der Darstellung. Die Irritation durch eine Dingwelt, die scheinbar nicht ins Bild passt. Das Werk ist zur Zeit zu sehen in der Ausstellung „In Light of the Hidden“ in der Galerie Judin an der Potsdamer Straße, die kürzlich anlässlich des Gallery Weekends eröffnet wurde.

Philipp Fürhofer ist Bühnenbildner, hat mit Reinhardt von der Thannen und Stefan Herheim gearbeitet. Vor allem aber ist er Maler – und bildender Künstler, denn seine Arbeiten sind zugleich Skulpturen, Leuchtkästen, die ins Dreidimensionale ausgreifen, Räumlichkeit fordern. Der 33-Jährige Augsburger, der an der UdK studiert hat und eine Garage in Moabit als Atelier nutzt, ist bekannt geworden mit Alpen- und Waldidyllen, mit vielfach gebrochenen Naturbildern, in die er Abwasserrohre, Glühlampen, Spritzpistolen montiert. Er klebt etwa zwei Acrylglaspyramiden aneinander, stopft die eine mit meerwasserblauer Plastikfolie aus, füllt die andere mit Buntstiften und nennt das Ganze „Drunt im Tal“. Oder platziert einen in seiner Scheußlichkeit anrührenden, zerschlissenen Polstersessel in einen Acrylglaskasten und pinselt eine wild-bedrohliche Waldlandschaft drauf. Der Titel: „Liebesgrüße aus Bayreuth“. Trash, Banales, Kram, die Dinge oder der „Krempel“, wie er es nennt, sind elementarer Bestandteil seiner Arbeit, die von irisierender, sperriger Schönheit ist. Aus den Zivilisationstrümmern erheben plötzlich so veraltete Begriffe wie „Natur“ oder „Landschaft“ ihre Köpfe. Fürhofer kitzelt heraus, was an romantischen Sehnsüchten noch in uns steckt. Dabei weiß er sich in guter Gesellschaft, denn der Blick auf die Natur war immer schon subjektiv gefärbt, bei Albrecht Dürer wie bei Caspar David Friedrich.

Sinnlichkeit und Materie: "Tristan's Body" (2014) von Philipp Fürhofer.
Sinnlichkeit und Materie: "Tristan's Body" (2014) von Philipp Fürhofer.

© Davids/Sven Darmer

„Meine Arbeiten sind in den letzten Jahren flexibler in den Oberflächen geworden“, erklärt er. Organischer, taktiler. Der menschliche Körper oder die Illusion von Körperlichkeit stehen stärker im Vordergrund, die Wechselwirkungen zwischen Organischem und Technischem. Gewalt, Verführung und Eros der Natur kommen bei ihm inzwischen weniger in Gestalt dunkler Wälder daher als in Form von Wasser, Meeren, Ozeanen. Die neuen Arbeiten heißen „Rhine Bubbles“, „Surface“, „Tide“, viele wirken wie Aufnahmen, die ein Taucher hätten machen können. Die Galerie Judin, in der früher die Tagesspiegel-Druckerei untergebracht war, schimmert, als sei’s ein Aquarium. Was an den vielen Leuchtstoffröhren und Glühbirnen liegt. Licht macht Philipp Fürhofers Arbeiten erst zu dem, was sie sind. Ganz wörtlich. Er montiert Lampen hinter die Glasscheiben, und je nachdem, ob sie leuchten oder nicht, sieht der Betrachter dreidimensionale Gebilde oder Malerei. Oder sich selbst. „Erst hatte ich Lichtschalter installiert“, erzählt er, „aber das funktionierte nicht. Die Leute trauten sich nicht, sie zu betätigen.“ Deshalb jetzt Zeitschalter. Der Besucher hat damit einen Teil der Kontrolle darüber verloren, was er sieht. Er ist gefordert, muss sich konzentrieren, flexibel reagieren. Wie im Theater.

"Oper ist so komplett veraltet und überholt, und doch spricht sie zu uns in ihrer Künstlichkeit"

Erfolgreich. Philipp Fürhofer, hier vor „The Seduction“ (2015), hat Bühnenbilder für Opernhäuser in Amsterdam, Karlsruhe und London entworfen.
Erfolgreich. Philipp Fürhofer hat Bühnenbilder für Opernhäuser in Amsterdam, Karlsruhe und London entworfen.

© Davids/Sven Darmer

Für die Bühne arbeitet Philipp Fürhofer seit mehreren Jahren erfolgreich. Angeblich musste er sich als Jugendlicher entscheiden, ob er Pianist oder Künstler werden wolle, jetzt habe er in der Oper doch noch einen Weg zur Musik gefunden. Steht so in Pressetexten. „Ich lese gar nicht, was über mich geschrieben wird“, sagt er. Und schildert, sympathisch, zugänglich, geerdet, seinen bisherigen Weg. Auf einer Ausstellung hat er Reinhard von der Thannen kennengelernt, seit Jahrzehnten Bühnenbildner von Hans Neuenfels – und wurde sein Assistent bei Neuenfels’ Inszenierung der „Zauberflöte“ an der Komischen Oper. Ja genau, die mit dem riesigen Penis als dem titelgebenden Instrument. Dann sollte von der Thannen für Stefan Herheim das Bühnenbild zu „Parsifal“ in Bayreuth bauen. Aus dem Projekt wurde nichts, von der Thannen stieg aus, aber der Kontakt war hergestellt. 2011 baute Fürhofer für Stefan Herheim das Bühnenbild zu Tschaikowskys „Eugen Onegin“ in Amsterdam, es wurde ein Triumph.

„Oper ist so komplett veraltet und überholt, und doch spricht sie zu uns in ihrer Künstlichkeit“, sagt er. Vergänglichkeit fasziniert ihn, und gerade in der Oper sind es ja immer nur Augenblicke, in denen die Stimme singt, flüchtig, unwiederholbar. Deshalb interessiert er sich seit einiger Zeit auch so sehr für „Tristan“. Komponiert Wagner hier doch so radikal wie nie wieder gegen die Zeit an, versucht sie auszulöschen, indem er die Musik, den ewig unaufgelösten Tristan-Akkord, nie ankommen, immer weiter fließen lässt.

Eine Form der Auseinandersetzung sind für Fürhofer historische Bühnenbilder, die er weiterdenkt. Im Kunstverein am Rosa-Luxemburg- Platz hat er sich 2012 mit den Bühnenentwürfen von Joseph Hoffmann für den ersten Bayreuther „Ring des Nibelungen“ auseinandergesetzt, in der aktuellen Ausstellung hängt „Tristan’s Sail“ (2015), das auf einen Entwurf von Angelo Qualio für die Uraufführung von „Tristan und Isolde“ zurückgeht. Mit einer Vorhangraffung, die sich auch im Diptychon „Paying Hommage“ (2015) wiederfindet. Bühne und Bilder beflügeln sich in seinem Werk wechselseitig. Wie kriegt er den Transfer von der einen in die andere Kunstform hin? Indem er erst mal mit dem Regisseur stundenlang die Musik anhört und analysiert. „Ein Prozess, der sich über zwei Jahre hinziehen kann“, sagt er. „Zentral ist dabei immer die Frage: Was wollen wir erzählen?“ „Eugen Onegin“ begann mit dem Ende, Tatjana und Onegin als altes Paar, das sein Leben vertan hat und sich zurückträumt. Die Erinnerung wird manifest in einem Spiegelkabinett, einem Sehnsuchtsraum. Für Händels „Alcina“ in Luzern baute Fürhofer ähnliche Spiegelwände, die sich gegeneinander drehen, ein Kaleidoskop, in dem jegliche Orientierung verloren geht. Im Januar 2016 wird er Verdis „Macbeth“ in Karlsruhe ausstatten und danach die andere große Tschaikowsky-Oper, die es auf einen festen Platz im Repertoire geschafft hat, „Pique Dame“, wieder mit Stefan Herheim. Die Bühne hat Philipp Fürhofer eingefangen. Es sieht nicht danach aus, dass sie ihn sobald wieder loslässt.

Ausstellung „In Light of the Hidden“, Galerie Judin, Potsdamer Straße 83 (Hof), bis 27. Juni, www.galeriejudin.com

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false