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Kultur: Der Kurzstreckengeher

Das kurdische Politpoem „Mes – Lauf!“.

Ein Dorf im kurdischen Teil der Türkei. Unverputzte Häuser, die Männer hocken beim Tee, auf dem Markt bieten die Jungs ihre Kurierdienste an. Cengo hängt sich eine Pappschachtel um und verkauft Kaugummis für ein paar Münzen. Er versorgt die Familie mit, wie alle Kinder in Nusaybin. Bis das türkische Militär die Gegend besetzt, im Jahr 1980.

Sie prägen sich ein, diese stillen, dokumentarischen Aufnahmen von „Mes – Lauf!“, dem ersten komplett auf Kurdisch in Kurdistan gedrehten türkischen Spielfilm. Die Kamera ruht auf Gesichtern, Gestalten, Gemäuer, so träge wie der Fluss unter der Eisenbahnbrücke, so gemächlich das Erzähltempo von Regisseur Shiar Abdi. Vor allem ruht die Kamera auf einem Unruhegeist, auf Xelilo, dem stummen, sonderlichen Alten. Er wohnt in einer Ladengarage und läuft den lieben langen Tag auf der Dorfstraße hin und her, nervös und verschreckt. Er ist wirr im Kopf, hat einmal Schlimmes erlebt. Cengo freundet sich mit ihm an, bald tollt er mit den Kindern am Fluss und die Erwachsenen stört es nicht weiter, wenn er ihnen die Zigarette aus dem Mund weg stiebitzt.

Der türkische Offizier kennt keinen Humor. Die Armee verhaftet, foltert und erschießt wahllos Leute; auch Xelilo, der stumme Rebell, wird drangsaliert. Cengos Kindheit geht grausam zu Ende.

Regisseur Abdi, 1973 im irakischen Kurdistan geboren und in Syrien aufgewachsen, kam mit 20 in die Niederlande, bevor er in Deutschland Film studierte. Er hat kein reißerisches Politdrama über den Militärputsch gedreht, sondern ein eindringliches, mitunter allzu elliptisches Poem. Als Kind kannte er selbst einen wie Xelilo. Dessen Darsteller Selamo, Produzent und Ko-Autor, ist ein Star bei den Kurden. Die Uraufführung in Nusaybin wurde mit Tränengas torpediert .Christiane Peitz

OmU; Eiszeit, Sputnik

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