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Kultur: Der Leuchtturm sendet wieder

140 Meisterwerke: Dresdens Gemäldegalerie bedankt sich mit einer Ausstellung in Berlin für die Fluthilfe

Das Schlüsselbild steht gleich am Anfang: ein Freundschaftsbild des sächsischen Kurfürsten August der Starke und Friedrich Wilhelms I., des preußischen Soldatenkönigs. Zwei Barockfürsten, stolz, machtbewusst und in demonstrativem Einvernehmen. Erst unter den Nachkommen Friedrich II. und August III. sollte diese Freundschaft im Siebenjährigen Krieg zerbrechen.

Der Beginn einer neuen, wunderbaren Freundschaft wird derzeit in Berlin gefeiert: Zwei machtvolle Museumsfürsten präsentieren eine Kooperation der Staatlichen Museen zu Berlin und der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Neben der Skulpturensammlung im Martin-Gropius-Bau stellt sich jetzt auch die Dresdner Gemäldegalerie im Alten Museum in Berlin vor. Peter-Klaus Schuster auf Berliner und Martin Roth auf Dresdner Seite vertreten die neue Allianz im vollen Bewusstsein, vereint unschlagbar zu sein: Dresdens Meisterwerke in Berlin machen die sonst etwas glanzlose Hauptstadt für zwei Monate zum Zentrum der internationalen Kunstwelt. Was da – als Dank für bundesweite Hochwasserhilfe im August – von Dresdner Seite verliehen wird, kann sich neben der Berliner Gemäldegalerie mit Leichtigkeit sehen lassen.

Harald Marx, Chef der Dresdner Gemäldegalerie, fiel die schwierige Aufgabe der Auswahl zu: Weder sollte Dresden während der zweimonatigen Ausstellungsdauer – an die sich im März noch eine Station in der Londoner Royal Academy anschließen wird – zu sehr geschröpft werden, noch wollte man neben den Reichtümern, wie sie die Gemäldegalerie am Kulturforum bereit hält, allzu arm aussehen. Die Entscheidung fiel auf eine Betonung der Unterschiede: dort, auf Berliner Seite, die mit bürgerlichem Bildungssinn zusammengetragene Sammlung, hier die höfische, dem Geschmack des 18. Jahrhunderts verhaftete Kunstgalerie. Hier der Anspruch eines enzyklopädischen Kunstüberblicks, dort die barocke Sammlung mit Schwerpunkten in der italienischen, niederländischen und französischen Kunst.

Die Litanei der 140 ausgestellten Werke, von Marx mit der Zärtlichkeit eines Feinschmeckers vorgetragen, liest sich wie ein Kanon der Kunstgeschichte: Mantegna, Tizian, Tintoretto, Dürer, Watteau, Claude Lorrain, Rubens, van Dyck, Velázquez, Caspar David Friedrich, Canaletto und Bellotto. Vor 50 Jahren, als in der Alten Nationalgalerie die von sowjetischer Seite zurückgegebenen Schätze gezeigt wurden, war Dresden das letzte Mal so umfassend in Berlin präsent. Bis zum nächsten Mal wird man sich wohl wieder 50 Jahre gedulden müssen.

Doch so zeitlos gültig die am Mittwoch von Bundeskanzler Schröder eröffnete Ausstellung in Berlin daherkommt: der Gedanke an die Hochwasserkatastrophe lässt sich nur schwer verbannen. Nicht nur, weil manche Präsentationen wie der opulent ausgestattete Spanier-Saal nur deshalb möglich waren, weil die entsprechenden Räume in Dresden immer noch als Depot für die geretteten Werke dienen und daher der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Auch die Gefährdung des barocken Elbflorenz, ist auf vielen Bildern präsent: auf Bernardo Bellottos Dresden-Veduten, die fast immer den breiten, majestätischen Elbstrom in die Bildmitte rücken, auf Johann Christian Thieles „Blick von den Lößnitzhöhen auf Dresden“, der, ganz im Stil von Claude Lorrain, die heitere Landschaft aus eben jener Vogelperspektive zeigt, aus der zuletzt die Bilder der überfluteten Region durch alle Medien gingen.

Andere Bilder erschließen sich eher assoziativ. Peter Paul Rubens’ monumentales Breitwandbild „Hero und Leander“ zeigt die entfesselte Gewalt der Fluten und die menschliche Ohnmacht dagegen. Der griechische Jüngling Leander ertrank bei dem Versuch, zu seiner geliebten Hero den Bosporus zu überschwimmen – weil die Fackel, die ihm den Weg weisen sollte, erlosch. Dass mit Dresdens Kunsttempeln einer der kulturellen Leuchttürme Deutschlands fast in den Fluten untergegangen wäre, rief eine Welle der Solidarität hervor, für die sich Dresdens Museen jetzt bedanken – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass in der hochwassergeschädigten Stadt noch lange keine Normalität wieder hergestellt ist. Es fehlt an Depots und Restaurierungsmöglichkeiten.

Doch das Missgeschick der einen ist das Glück der anderen. Im Alten Museum wirken Dresdens Schätze, als sei der Bau für sie gemacht: die gleichen Dresdner Farben an den Wänden, die gleiche noble, unaufgeregte Hängung. Peter-Klaus Schuster mag sich noch so sehr freuen: „Wir haben jetzt zwei Gemäldegalerien in Berlin.“ Martin Roth dämpft die Freude schnell wieder: „Auch wenn die Ausstellung so aussieht, als sei sie für die Ewigkeit gedacht – wir lassen nichts hier. Wir nehmen alles wieder mit.“ Ein Grund mehr, sich „Dresden in Berlin“ nicht entgehen zu lassen.

Nach der Flut. Meisterwerke der Dresdner Gemäldegalerie in Berlin. Altes Museum, 19. Dezember bis 28. Feburar. Di bis So 10 bis 18 Uhr. Katalog (E.A. Seemann Verlag) 24,90 €.

Christina Tilmann

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