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Kultur: Der Mann im Schatten

WETTBEWERB Steven Soderberghs „The Good German“ mit George Clooney und Cate Blanchett

Steven Soderbergh ist ein Dieb. So wie der junge Koreaner in Park Chan-wooks Wettbewerbsfilm „I’m a Cyborg, but that’s okay“ Omas Gebiss, außerdem Ängste und Tugenden klaut, stiehlt Soderbergh Stücke aus der Filmgeschichte. Er kann das verdammt gut und hat sich seit seinem Independent-Gesellenstück „Sex, Lies and Videotapes“ zahlreiche Genres und Stile geschnappt: Thriller („Out of Sight“) und Science-Fiction („Solaris“) genauso wie Actionkomödie („Ocean’s Eleven“) und Gesellschaftspanorama („Traffic“).

Mit „The Good German“ liefert der Dieb seinen Meistercoup ab. Zitternde Vorspanntitel, die zu elegischem Streichersound über Berlins Nachkriegstrümmerlandschaft flimmern! Der Schwarzweißstil der Warner-Filme aus den Vierzigerjahren! Lange Schatten, sonnengebleichte Bildränder, der Flughafen Tempelhof ist das Flugfeld von „Casablanca“, andere Szenen zitieren„Die Mörder sind unter uns“ oder „A Foreign Affair“ – und George Clooney und Cate Blanchett spielen Humphrey Bogart und Lauren Bacall.

Handwerklich perfekter Eklektizismus also, mit dem kleinen Unterschied, dass die Faustschläge härter ausfallen als damals und der einzige Kuss diskretest möglich verschattet wird. Und mit dem großen Unterschied zwischen Pose und Haltung. Wenn Clooney seine Kippe wegschnippt, wenn sich der Zigarettenrauch um Blanchetts schwarze Locken kringelt und sie die Diktion von Hildegard Knef imitiert, ist all das deutlich als Zitat markiert: Komm, wir spielen film noir. Nur dass die Originale besser sind. In den USA jedenfalls ist der Film gefloppt.

Der Plot: Berlin, Sommer 1945. Jake (Clooney) reist als US-Presseoffizier zur Potsdamer Friedenskonferenz an. Vor dem Krieg leitete er das Berliner AP-Büro. Er trifft eine alte Liebe wieder, Lena (Blanchett), die sich als Prostituierte über Wasser hält und deren Mann gesucht wird: von den Russen, den Amerikanern und den Schergen der Nazis. Denn als ehemaliger Sekretär des obersten NS-Ingenieurs besitzt er die Baupläne für weltweit begehrte Atomraketen und ist obendrein der letzte lebende Zeuge für die Massenmorde im KZ Dora: ein SS-Mann, aber irgendwie auch ein guter Deutscher, hinter dem alle her sind. Was unter anderem Tully (Tobey Maguire) das Leben kostet, Lenas Beschützer und Clooneys Fahrer.

Zu einem guten film noir gehört ein vernebelter Krimiplot, den der Zuschauer nicht in Gänze versteht. „The Good German“ dagegen ist überdeutlich auserzählt. Am Ende haftet an Blanchetts femme fatale nicht mal mehr eine Spur von Geheimnis, auch bei der Moral bleiben keinerlei Zweifel. Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit wollen Truman, Churchill und Stalin angeblich in Potsdam. Aber mit dem Kriegsende wittern alle zugleich auch die Chance auf neue Macht und lukrative Geschäfte. Als politisch korrekter Lehrfilm über die Aktivitäten der Amerikaner in Nachkriegsdeutschland lässt sich „The Good German“ prima in Schulklassen einsetzen.

Soderbergh und Clooney geht es erneut auch um den Irak und die heutige US-Außenpolitik. Schöne Parallele: Der Amerikaner kommt ins Kriegsgebiet und will Frieden stiften. Andere Amis sind nur an Waffengeschäften interessiert, aber es gibt auch den guten Ami, der die Zivilisten, sprich: die Frau retten will. Dabei trägt er heftige Blessuren davon (Clooneys Gesicht ist von Szene zu Szene von mehr Wunden übersät) und kann trotz hehrer Absichten den Tod Unschuldiger nicht verhindern. Spannender wäre es gewesen, wenn Clooney sich getraut hätte, einen weniger harmlosen embedded journalist zu verkörpern. Einen ambivalenten Amerikaner. So aber bleibt es beim wohlfeilen, auf die anderen gemünzten Spruch, dass es im Krieg leichter war, die Bösen zu identifizieren: daran, dass sie auf dich schießen.

Für den Kontrast zwischen Actionplot und Glamourstil hat der Drehbuchautor Paul Attanasio eine aufschlussreiche Erklärung. In diesem Gegensatz stecke „die Frage, wie wir Amerikaner uns selbst sehen und wie die Welt uns sieht, unsere Sehnsucht nach Transzendenz (was ist Glamour anderes als Transzendenz!), die sich hartnäckig gegen die erdrückenden Tatsachen behauptet, ebenso wie unsere Macht, die von unseren Idealen heimgesucht wird. In Zeiten eines neuen Kriegs und neuer Besatzung stellt sich die Frage besonders dringlich.“ Den Film zu dieser Frage würde man gerne sehen.

Heute 15 und 18.30 Uhr (Urania), 22.30 Uhr (International)

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