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Kultur: Der Meister kommt

Im Glas auf dem Klavier ist Wein, nicht Bier. "My world is a world of Music" singt Paul Kuhn in den dunklen Rathausplatz.

Im Glas auf dem Klavier ist Wein, nicht Bier. "My world is a world of Music" singt Paul Kuhn in den dunklen Rathausplatz. Der 71jährige Altmeister der deutschen Unterhaltung sorgt am Sonnabend - unterstützt vom Bassisten Paul G. Ulrich und dem Drummer Willy Ketzer - für den ersten Höhepunkt des 4. Köpenicker Blues & Jazzfestivals. Die rund fünfhundert, auf Holzbänken sitzenden Zuschauer müssen einiges ertragen, bis Kuhn auf der Bühne ist: Eine grottenschlechte Berliner Dixiekapelle namens Dr. Jazz zum Beispiel, die soviel Swing hat wie ein Schrank voll nasser Wäsche. Oder eine Horde junger, schnöseliger Kellner, die konsequent jeden anpöbeln, der bei 34 Mark Eintritt nicht noch zusätzlich ein warmes Essen bestellt. Doch Kuhn braucht nur wenige Takte, um all diese Entbehrungen vergessen zu machen. Er, der jahrzehntelang alles tat, um sich seinen Ruf als Musiker zu versauen, indem er in Samstagabend-Shows das Paulchen machte und entsetzliche Schlager schrieb, ist in den 90ern zum Jazz zurückgekehrt. Immerhin war der gebürtige Wiesbadener 1954 der erste Deutsche, der beim Radiosender AFN spielen durfte. Immerhin leitete er in den 80ern jahrelang die Bigband des SFB. Wie schon auf seiner letzten CD "Blame It On My Youth" zu hören war, baut Kuhn auf seine Lieblingsstücke aus dem riesigen Fundus an Swing- und Jazz-Standards: Glenn Millers "Serenade In Blue" läßt er aus seinem Klavier perlen, Irving Berlins "How Deep Is The Ocean", Kompositionen von George Gershwin und Charlie Parker. Das hingerissene Publikum reagiert nicht mit lauter Begeisterung, sondern mit Ergriffenheit: Bis zum letzten Platz neben dem Klo ist spürbar, daß der alte Mann am Klavier endlich dort angekommen ist, wo er immer sein wollte. Das Festival dauert noch bis zum 5. September. Auftreten werden unter anderem Gitte Haenning, Max Greger, Hazy Osterwald und Axel Zwingenberger. KNUD KOHR

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