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Kultur: Der Nerv der Stadt

Franziska Nentwig ist neue Direktorin des Berliner Stadtmuseums Ein Gespräch über die Chancen, ein Haus mit 13 Standorten zu reformieren

Frau Nentwig, was sind Ihre Pläne für die Stiftung Stadtmuseum?

Berlin ist eine der faszinierendsten Städte Europas. Von hier ging, im Guten wie im Bösen, vor allem im 20. Jahrhundert Weltgeschichte aus. Die Aufgabe besteht darin, aus Europas größtem Stadtmuseum auch das interessanteste zu formen.

Derzeit hat die Stiftung 13 Häuser. Wie wollen Sie damit umgehen?

Wir sind nicht nur das Berliner Stadtmuseum, sondern auch ein Landesmuseum für Kultur und Geschichte. Erst wenn wir unser Profil geschärft haben, können wir über einzelne Standorte nachdenken.

Was für Themen sind für Sie denkbar?

Alles, was den Nerv dieser Stadt trifft. Wir müssen natürlich auch auf uns aufmerksam machen und Besucher anziehen. Ich plädiere für themenübergreifende Ansätze. Geschichte – das sind Fakten genauso wie Lebenswelten, künstlerische und wissenschaftliche Entwicklungen.

All das zeigt die Dauerausstellung schon.

Aber wo ist das 20. Jahrhundert? Kürzlich traf ich eine Touristin, die hier in der Poststraße hilflos vor der Tür stand. Sie suchte das Museum, in dem man sich einen Überblick über die Geschichte Berlins verschaffen könne. Ich habe ihr erklärt, dass sie dafür dahin, dafür dorthin müsse. Ihre Gegenfrage: Wo finde ich das Museum für die Stadt Berlin?

Das Märkische Museum wird wegen Generalsanierung geschlossen. Wie bleibt das Stadtmuseum ohne Stammhaus präsent?

Das Märkische Museum wird kaum zu ersetzen sein. Wir werden noch stärker auf Sonderausstellungen an verschiedenen Orten angewiesen sein. Der Reiz besteht darin, sie als Fingerübungen für künftige Inszenierungen zu begreifen.

Ihr Vorgänger Kurt Winkler wollte das benachbarte Marinehaus hinzugewinnen.

Das wäre in der Tat eine tolle Option, zumal es die räumliche Konzentration befördert. Nun muss man sehen, wie darüber von politischer Seite befunden wird.

Wo sehen Sie Reserven, um die Außenwirkung der Stiftung zu verbessern?

Im Stadtmuseum gibt es durchaus Reserven – wenn auch nicht in finanzieller Hinsicht. Aber wie kann man das Erscheinungsbild optimieren? Geld ist nur ein Aspekt. Kooperationen mit Partnern in der Wirtschaft, aber auch im Kulturbereich, sind ein wichtiger Weg, der unsere Arbeit auch inhaltlich bereichert.

Sie mussten in Eisenach den Etat für das Bachhaus zur Hälfte selbst erwirtschaften. Das dürfte bei dem hohen Personalstand hier unmöglich sein.

Ich gehe ja nicht nur mit diesen Erfahrungen ins Rennen. Ich habe sehr viele Konzepte kennen gelernt, wie man Projekteinnahmen generiert. Wir werden uns einen „passenden Anzug“ maßschneidern.

Wie wollen Sie intern reformieren?

Im Stadtmuseum arbeiten ungefähr 150 Menschen. Die Organisationsstruktur ist momentan streng vertikal. Wir müssen mehr Querstreben einziehen, um systemübergreifendes Arbeiten anzuregen.

Auf welcher Ebene?

Auch innerhalb des Museums selbst spiegelt sich Geschichte. Nach 1990 wurden Mitarbeiter und Sammlungen aus Ost und West zusammengeführt. Wann immer ich etwas frage, erklären Mitarbeiter – durchaus berechtigt – den Ist-Zustand aus Entwicklungen der Vergangenheit. Dennoch müssen wir davon weg.

Wie sähe eine neue Dauerausstellung aus?

Wir können unmöglich einzelne Sammlungsbestände hintereinander präsentieren. Es geht um Querschnitte. Sonderausstellungen sind das richtige Mittel zur Vertiefung, manchmal sogar für den Blick nach vorn. Warum immer die Perspektive der Vergangenheit bearbeiten?

Das war einer der Hauptvorwürfe gegen das angeblich verstaubte Stadtmuseum.

Ich möchte, dass das Museum als Serviceeinrichtung begriffen wird, vielleicht auch als Fremdenführer für Menschen, die nach Berlin kommen. Das Haus sollte identitätsstiftend wirken und Gäste und Bürger gleichermaßen ansprechen.

Der Zusammenschluss der Stiftung Stadtmuseum, der Berlinischen Galerie und des Brücke-Museums zur Stiftung Berliner Landesmuseen ist verschoben worden – auch mit Hinweis auf Reformbedarf beim Stadtmuseum. Ist das Projekt gescheitert?

Eine solche Makrostruktur ist ein denkbarer Weg. Sie entbindet die Stiftung allerdings nicht davon, ihr Profil zu schärfen. Letztlich zählt jeder einzelne Besucher. Für ihn ist nicht maßgebend, in welcher Form ein Museum organisiert ist. Er will sein individuelles Museumserlebnis.

Das Gespräch führte Michael Zajonz.

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