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Die Irin Eilis (Saoirse Ronan) und der Italiener Tony (Emory Cohen) lernen sich in Brooklyn kennen und lieben.

© Tw. Century Fox

Der Oscar-nominierte Film "Brooklyn": Einmal Amerika und zurück

Eine Irin in New York: Im Einwanderungsdrama „Brooklyn“ brilliert Saoirse Ronan als Charakterdarstellerin.

Hungersnöte, Wirtschaftskrisen und ein lang anhaltender Bürgerkrieg haben dafür gesorgt, dass durch die Jahrhunderte hindurch ein stetiger Strom von irischen Emigranten über den Atlantik in die USA kam. Knapp 4,8 Millionen waren es allein in der Zeit zwischen 1820 und 2004; heute leben in den Vereinigten Staaten fünfmal mehr Menschen irischer Herkunft, als die grüne Insel selber Einwohner zählt. Aber während die Italo-Amerikaner – „Godfather“ sei Dank – sich im US-Kino einen festen Platz eroberten, wurden die Iren in Hollywood immer etwas stiefmütterlich behandelt. Nun stellt John Crowley in seiner schlichten, mit großer Klarheit erzählten Emigrationsgeschichte „Brooklyn“, die gerade in drei Hauptkategorien für den Oscar nominiert wurde, eine junge Irin ins Zentrum.

Im Brooklyn der 1850er Jahre scheint fast jeder aus Irland zu kommen

Anfang der 50er Jahre macht sich Eilis Lacey (Saoirse Ronan) auf Betreiben ihrer älteren Schwester aus der irischen Kleinstadt Enniscorthy auf nach New York. Ein Priester hat ihr eine Stelle in einem schicken Warenhaus besorgt sowie eine Bleibe in der Pension von Mrs. Kehoe (Julie Walters), die das sittliche Wohlverhalten ihrer weiblichen Gäste fest im Blick behält. Eilis ist jung, intelligent, schüchtern und vom Leben in der Fremde überfordert – auch wenn in Brooklyn fast jeder aus Irland zu kommen scheint und die soziale Kontrolle auch über den Atlantik hinweg funktioniert.

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„Es ist gut, auch einmal Leute zu treffen, die deine Tante nicht kennen“, hat ihr eine Mitreisende auf dem Schiff die Vorzüge des Großstadtlebens erläutert. Aber Eilis vergeht vor Heimweh, steht unbeholfen hinter dem Tresen des Nobelkaufhauses und hat keine Ahnung, wie sie mit der gut betuchten Kundschaft Konversation treiben soll. Das alles ändert sich, als sie auf einem Tanzabend der Gemeinde Tony (Emory Cohen) trifft – einen jungen Italiener mit einer Schwäche für Irinnen und einem ehrlichen Lächeln im Gesicht. Der charmante Klempnergeselle weiß, was er will, aber er überstürzt nichts.

Die Art, wie die beiden sich kennen- und lieben lernen, ist altmodisch, aufrichtig, rührend und erfrischend uncool. Aber dann ruft der plötzliche Tod der älteren Schwester Eilis zurück nach Irland. Vor der Abreise geben die beiden sich noch schnell das Jawort, aber die Rückkehr in die alte Heimat verunsichert Eilis in ihrer Lebensplanung. Die alleinstehende Mutter bräuchte sie mehr denn je und auch das Leben in der Kleinstadt zeigt sich von seiner besten Seite: die Hochzeitsfeier ihrer besten Freundin, ein Job in der Buchhaltung der örtlichen Fabrik, die einsamen Strände und ein anständiger junger Mann (Domhnall Gleeson), der sich sehr um sie bemüht.

„Brooklyn“ ist ein zutiefst harmloser Film – was in diesem Fall als Kompliment gemeint ist. John Crowley und Drehbuchautor Nick Hornby, der hier einen Roman von Colm Tóibín bearbeitet hat, machen sich die schüchterne Haltung ihrer Protagonistin zu eigen, die sich vorsichtig in ein neues Leben hineintastet. Ängste werden überwunden, Zweifel kommen und gehen, Entscheidungen reifen allmählich heran – man kann dem Selbstbewusstsein förmlich beim Wachsen zuschauen. Die Kraft des Films liegt in der Behutsamkeit, mit der die Sehnsüchte, die Schmerzen, das Abenteuer und die Erfolgserlebnisse abgetastet werden, die mit dem Auswandern verbunden sind.

Dieses empathische Erzählkonzept, in dem fast vollständig auf dramatische Plotkonstruktionen verzichtet wird und nichts antagonistisch Böses zu existieren scheint, steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin. Gerade einmal zwölf Jahre alt war Saoirse Ronan, als sie in „Abbitte“ Keira Knightley und James McAvoy an die Wand spielte. Seitdem hat sie ein hochdifferenziertes Instrumentarium entwickelt, mit dem sie die wechselnden Emotionen ihrer Figur fein nuanciert herausarbeitet.

Den Oscar hätte sie verdient, schon weil die Academy die Kunst des Understatements viel zu selten würdigt. Außerdem erzählt diese irisch-britisch-kanadische Produktion von einem uramerikanischen Thema. Denn die USA sind – auch wenn es die Tea-Party-Anhänger vielleicht anders sehen wollen – von Emigranten aufgebaut worden, die den Mut aufbrachten, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, um den Verheißungen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu folgen.

In Berlin im Cinemaxx, FT Friedrichshain, Kant, Passage und Zoo Palast; OV im Cinestar SonyCenter; OmU: Hackesche Höfe, Kulturbrauerei und Rollberg

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