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Kultur des Kegelns: Emmanuel Bornsteins "Waldbowling III" von 2012, Öl auf Leinwand.

© Wendt+Friedmann Galerie Berlin

Kultur: Der Prophet klebt Briefmarken

Wie die Messen um Sammler buhlen: Die Preview in Tempelhof startet durch, die Berliner Liste in Kreuzberg bleibt am Boden.

Wenn der Berg partout nicht zum Propheten kommen möchte, setzt der Prophet sich schon mal direkt auf den Berg. Der Berg ist in diesem Fall eine private Kunstsammlung, der Prophet eine Multimedia-Skulptur des Künstlers Christian Weiß. Noch steht sie auf der Preview, die am Donnerstag im Hangar 2 des ehemaligen Flughafens Tempelhof ihre Tore geöffnet hat. Was auf den ersten Blick wie ein edel designter Briefmarkenautomat aussieht, wird am morgigen Sonnabend in das Haus eines Privatsammlers eingeschleust. Weit entfernt von Berlin und illegal. Doch geht es nicht ums Subversive. Weiß präsentiert über einen interaktiven Touchscreen Werke von Kollegen. Kunstvermittlung via Kunst-Einbruch. Soziale Plastik im besten Beuys’schen Sinn, die hintersinnig auf die Professionalisierung der Kreativen verweist. Ebenso wie auf die Berliner Situation.

Denn mehrere tausend Produzenten buhlen in der Hauptstadt um eine nach wie vor kleine Sammlerschar. Ein Fakt, an dem nicht zuletzt auch das Art Forum scheiterte, als dessen Satellit die Preview vor acht Jahren ins Leben gerufen wurde. Deren Organisatoren hatten sich nach dem Aus der Hauptmesse beherzt für den kreativen Zusammenschluss eingesetzt, der als Berlin Art Week Synergien freisetzen und den Standort stärken soll.

Ganz nebenbei haben Kristian Jarmuschek, Rüdiger Lange und Ralf Schmitt der eigenen Messe einen behutsamen Relaunch gegönnt. Das „Emerging“ vor dem Art Fair ist aus dem Logo gestrichen worden, die Preview zeigt sich erwachsener und bietet nun auch dem etablierten Mittelfeld ein Forum. Gleichsam mitgewachsen sind Teilnehmer der ersten Stunde, wie die Dresdener Galerie Baer oder Martin Mertens aus Berlin, der mit seinem arrivierten Programm mittlerweile eine Dependance in Karlsruhe betreibt und Collagen von Hannah Dougherty oder schrille Mischtechniken des Performance-Duos Eva & Adele offeriert.

Unter den Neuzugängen, die die Preview als Alternative zum Art Forum testen, ist die Galerie Matthias Kleindienst aus der Leipziger Spinnerei. Tilo Baumgärtel als Protagonist der Neuen Leipziger Schule steht hier der junge Julius Hofmann gegenüber. Ebenfalls zum ersten Mal auf der Preview ist die renommierte mexikanische Galerie Terreno Baldío, angereist mit einem beeindruckenden Ex-Votos-Triptychon aus Polyesterharz des Bildhauers Javier Marín.

Kritisches verspricht die rumänische Galerie Nasui mit der Diskussion „The Soft Power of the Art Market. And the Contemporary Global Art as the New Folklore“, während Schmalfuss (Marburg/Berlin) schon mal ironischen Optimismus übt: „I’m Bathing in Happiness“ verkündet Bodo Korsigs leuchtend rote Schriftskulptur.

Dass zum Glück noch die Gelddusche wartet, wäre den rund 70 Ausstellern zu wünschen. Wenngleich die Preview nicht mit ganz großen Namen auftrumpft, zur unverzichtbaren Größe ist sie allemal gereift: dank kluger und experimentierfreudiger Aufbauarbeit. Vielleicht reist auch der Sammler an, der am Sonnabend unverhofft um ein Kunstwerk reicher sein wird. Michaela Nolte

Preview Art Fair, Flughafen Tempelhof, Hangar 2, Columbiadamm 10; bis 16.9. , täglich 13–20 Uhr

Die Zeichen hätten auf Neuanfang stehen können. Immerhin ist die Berliner Liste, die zum neunten Mal als Messe für zeitgenössische Kunst in den Industriehallen des Trafo in Mitte ihre Pforten öffnete, mit einem neuen Team angetreten. Eventmanager Jörgen Golz, der das Konzept von Wolfram Völcker, dem Begründer der Messe, erworben hat, ist nun Geschäftsführer. Und als Kurator firmiert Gerhard Charles Rump, ehemals Redakteur für das Kunstmarkt-Ressort der „Welt“.

Den Wechsel aber hat man nicht für eine grundlegende Neuorientierung genutzt. Vielmehr besinnt man sich auf alte Wurzeln: „Die Berliner Liste soll wieder eine Entdeckermesse sein“, betonte Jörgen Golz zur Eröffnung.

Zu entdecken gibt es etliches, aber nicht nur Gutes. Die Rosinen, die man durchaus findet, muss man suchen, denn die Qualität der Arbeiten von 124 Ausstellern aus 26 Ländern – neben Galerien über die Hälfte davon Künstler – ist äußerst durchwachsen.

Eine Kritik, die diese Messe seit ihrer Gründung begleitet. Es mag daran liegen, dass man möglichst ungefiltert die Basis ausstellen will. Der Fokus liegt auf Künstlern, die keine Galerievertretungen haben, und Galerien, die im Kunstmarkt ansonsten kaum eine Rolle spielen – das jedenfalls trifft auf die hier vertretenen Berliner Galerien zu. Dabei ist durch den Wegfall der Kunstmesse Art Forum im vergangenen Jahr eine Lücke entstanden: Führende und mittlere Berliner Galerien haben in Berlin ihre Messeplattform verloren, ausländische Galerien ebenso. Man hätte das Profil also durchaus repräsentativer gestalten und jene Filter nutzen können, die der Kunstmarkt ohnehin zur Qualitätsbildung bereitstellt: namhafte, international operierende Galerien, Künstlerbiografien mit vielversprechender Vita, internationale Netzwerke. Angela Hohmann

Berliner Liste, Trafo, Köpenicker Str. 70; bis 16. 9., tgl. 13–21 Uhr, So 13–19 Uhr

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