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Kultur: Der Rauswurf

Harald Martenstein über den harten Mann von Leverkusen Reiner Calmund ist der Manager des Fußballvereins Bayer Leverkusen. Reiner Calmund hat den Trainer Toppmöller entlassen.

Harald Martenstein über

den harten Mann von Leverkusen

Reiner Calmund ist der Manager des Fußballvereins Bayer Leverkusen. Reiner Calmund hat den Trainer Toppmöller entlassen. Klaus Toppmöller war eine Zeitlang erfolgreich mit Leverkusen. Dann stürzten die Mannschaft und er in eine tiefe Krise, ähnlich wie Gerhard Schröder nach der gewonnenen Bundestagswahl. Einen Bundeskanzler kann man nicht leicht feuern, einen Trainer schon.

Über Reiner Calmund steht zurzeit viel Negatives in den Zeitungen. Er sei eiskalt und brutal, obwohl er auf den ersten Blick nett wirkt. Denn Calmund hat schon sehr viele Trainer gefeuert. Wenn die Mannschaft verliert, muss der Trainer gehen. Calmund aber bleibt, egal, was passiert.

Eigentlich macht Reiner Calmund nur seinen Job. Der Trainer ist dafür zuständig, dass die Mannschaft gut spielt. Der Manager ist dafür zuständig, dass es dem Verein gut geht. Und mit Leverkusen ist es, trotz der gegenwärtigen Krise, in den letzten Jahren wirklich bergauf gegangen. Calmund hat es richtig gemacht. Dass er kein eiskalter Typ ist, merkt jedes Kind, wenn es ihn bibbernd auf der Tribüne sitzen sieht. Er liebt den Verein mehr, als er je einen Trainer lieben könnte. Hinter ihm sitzt immer ein Arzt, für den Fall, dass es ihn vor Aufregung umhaut.

Jetzt hacken viele auf Calmund herum. Warum? Weil er hart ist. Wir Deutschen aber sind generell weich. Wir sind ein mental total weiches Volk, wie Knete. Uns fehlt die Härte in den Zweikämpfen, wir haben im Sturm keinen gnadenlosen Vollstrecker. Das merkt man ja auch in der Irakpolitik.

An der Berliner TU ist jetzt die erste Diplomarbeit zu den Folgen des 11. September entstanden. Die Autorin Sabina Brandstätter hat die Leserbriefe verglichen, die in den ersten Wochen nach den Terroranschlägen in deutschen und in amerikanischen Zeitungen standen. Die Unterschiede sind auffällig. In den USA dominiert die Wut. In Deutschland dominiert Angst. In den Leserbriefen der Amerikaner sei keinerlei Angst spürbar, heißt es erstaunt in der Diplomarbeit. Schon in den ersten Tagen, als überall noch die Hochämter der deutschamerikanischen Solidarität gefeiert wurden, empfanden die beiden Völker unterschiedlich. Das hat natürlich historische Ursachen. Allein schon der Bombenkrieg. Dresden und so weiter.

Sobald der neue Leverkusener Trainer die ersten Spiele gewonnen hat, werden alle Kommentatoren und Fans dem Manager Calmund den Rauswurf des Trainers Toppmöller verziehen haben. Und im Irak? Wenn nach dem Sturz von Saddam Hussein die ersten Bilder jubelnder Iraker zu sehen sind und wenn die befreiten politischen Gefangenen ihre ersten Interviews geben, dann werden viele friedensbewegte Deutsche ihrer Sache nicht mehr ganz so sicher sein. Siege überzeugen immer. Außerdem: Wir Deutsche sind mental total weich.

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