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Kultur: Der Rolf im Schafspelz

Von Christian Schröder Die Prinzessin thront auf einem Holzhocker. Sie trägt ein weißes Baumwollkleid mit Spitzen, aus ihrem Hundekopf wachsen Hörner.

Von Christian Schröder

Die Prinzessin thront auf einem Holzhocker. Sie trägt ein weißes Baumwollkleid mit Spitzen, aus ihrem Hundekopf wachsen Hörner. Hinter ihr: drei Kindmänner in schwarzen Anzügen, ihre maskenhaft erstarrten Gesichter erinnern an Katzen, Vögel, Affen. Wie Hyde-Park-Rhetoren haben sie sich auf umgedrehten Kisten aufgebaut, Staatsmänner in Wartestellung. „TNT“ steht auf den Kisten, früher könnten sie Sprengstoff in die Gold- und Diamantminen transportiert haben. Ein Schimpanse fährt Auto, ein Sonnenbrillenmann schaut ihm zu, ein Wolf hat – wie im Sprichwort – einen Schafspelz angezogen. Nur einen wirklichen Menschen scheint es zu geben, er zieht an rostigen Drähten einen langen Schlepptau von Sicheln und Spielzeugtraktoren hinter sich her. Ikarus, vom Schrott des Lebens am Boden gehalten.

„African Adventure“ heißt die raumgroße Skulpturengruppe der Bildhauerin Jane Alexander. „Afrikanisches Abenteuer“, mit diesem Slogan werben Reisebüros in ihrer Heimatstadt Kapstadt für Ausflüge zu den wilden Tieren der Nationalparks. Alexander zeigt, dass die Wildnis schon vor der eigenen Haustür beginnt: Auf sorgsam aufgeschütteter roter Steppenerde inszeniert sie die Identitätsprobleme des Post-Apartheids-Südafrika als Puppenspiel. Die Skulpturen, aus Gips und Polyester geformt und handbemalt, erinnern an die Alltagsmensch-Abgüsse eines Ed Kienholz, aber mehr noch an die unheimlichen Mensch-Tier-Mischwesen des Altniederländers Hieronymus Bosch.

Fotografien verstärken den Agit-Pop-Eindruck. Sie zeigen Straßenpanoramen mit Eckenstehern, Drogenkids, Modernisierungsverlierern. Jane Alexander, weiße Südafrikanerin des Jahrgangs 1959, arbeitet im Grenzbereich von Hyperrealismus und Surrealismus. Ihre Botschaft ist mitunter allzu plakativ. Die Figur eines schwarzen Obdachlosen hängt sie kopfüber an die Wand, sein Hemd schimmert majestätisch violett, der Kopf ist mit einem goldenen Heiligenschein hinterfangen. Und in Berlin, wo ihr Großvater bei der AEG arbeitete, fertigte sie ein Erinnerungskästchen mit dem Titel „Erbschein“, auf dem ein Reichsadler zwischen den Kränen des Potsdamer Platzes stolziert. Selbstfindungskitsch.

Sammlung Daimler Chrysler, Haus Huth, Potsdamer Platz, bis 15. September, täglich 11-19 Uhr.

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