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Kultur: Der Ruinenbaumeister streitet mit den Nostalgikern

Von Michael Zajonz Dass der Deutsche Bundestag diese Woche über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses abstimmen wird, verdankt sich nicht nur der Expertenkommission „Historische Mitte“, sondern ebenso dem Engagement von Bürgervereinen wie Wilhelm von Boddiens Förderverein Berliner Stadtschloss oder der Gesellschaft Historisches Berlin. Die Einschränkung, dass sich die Parlamentarier zwischen zwei mehr oder weniger historisierenden Varianten der Wiederherstellung entscheiden sollen, illustriert in verblüffender Deutlichkeit einem noch vor wenigen Jahren undenkbaren common sense deutscher Erinnerungskultur: die allerorten beabsichtigte oder schon ins Werk gesetzte Rekonstruktion lange aufgegebener Wahrzeichen.

Von Michael Zajonz

Dass der Deutsche Bundestag diese Woche über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses abstimmen wird, verdankt sich nicht nur der Expertenkommission „Historische Mitte“, sondern ebenso dem Engagement von Bürgervereinen wie Wilhelm von Boddiens Förderverein Berliner Stadtschloss oder der Gesellschaft Historisches Berlin.

Die Einschränkung, dass sich die Parlamentarier zwischen zwei mehr oder weniger historisierenden Varianten der Wiederherstellung entscheiden sollen, illustriert in verblüffender Deutlichkeit einem noch vor wenigen Jahren undenkbaren common sense deutscher Erinnerungskultur: die allerorten beabsichtigte oder schon ins Werk gesetzte Rekonstruktion lange aufgegebener Wahrzeichen. Dass sie zurückkehren sollen, steht außer Frage. Debattiert wird lediglich noch über das Wie.

Arabesken einer Rückkehrdebatte

Da mag es fast schon als Randarabeske erscheinen, wenn angesehene Rekonstruktionsgegner wie der Kunsthistoriker Tilman Buddensieg schicksalsergeben die Seite wechseln. Einem geschichtsfixierten Zeitstil, so stellte der Bonner Emeritus unlängst in einem Interview fest, könne er sich nicht länger entziehen. Ob der rhetorische Sog, den allein die diskursive Beschwörung des Hohenzollernschlosses erzeugt, allerdings auch auf die methodisch völlig anders geartete denkmalpflegerische Reparatur der benachbarten Museumsinsel ausstrahlen wird, bleibt fraglich.

Denn außer der künftigen musealen Nutzung wird die weitgehend neu zu schaffende Erinnerungsarchitektur mit der kürzlich begonnenen Wiederherstellung von Stülers Neuem Museum durch den britischen Architekten David Chipperfield nicht allzu viel verbinden. Aus Anlass ihres 11-jährigen Bestehens lud die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) neben Chipperfield ein mit dem Architekt HG Merz (Sanierung Alte Nationalgalerie und Staatsbibliothek Unter den Linden), dem Kunsthistoriker Adrian von Butlar und Wilhelm von Boddien kompetent besetztes Podium in die mit dem Segen der Berliner Denkmalpflege teilrekonstruierte Große Halle des Märkischen Museums. Am Beispiel der Museumsinsel sollten Chancen und Grenzen historisierender Nachbauten jenseits der Schlossdebatte ausgelotet werden.

Auch die routinierte Moderatorin Sigrid Hoff konnte nicht verhindern, dass der Blick auf das beschädigte, doch - wie jüngst Bauforschungen am Alten Museum gezeigt haben -noch immer in bedeutenden Teilen materiell authentische Denkmalensemble Museumsinsel durch den Schlagschatten eines Schlosses ex machina getrübt wurde. Bemühte man sich anfangs noch um eine Differenzierung der Begriffe Konservierung, Restaurierung und Rekonstruktion, gerieten im Dialog mit dem Publikum die seit 100 Jahren klar unterschiedenen Kategorien zusehends durcheinander. Warum soll der Glanz, der im Sinne einer identitätsstiftenden Stadtbildpflege am Schlossplatz erlaubt sein wird, nicht auch für Stülers kriegszerstörte Treppenhalle einschließlich der Wandbilder Wilhelm von Kaulbachs wünschbar sein?

Historizität als didaktisch aufbereitete Zumutung inmitten Sack und Asche tragender Ruinenromantik oder als perfekt ästhetisierende Wohlfühlmassage modernegeplagter Nostalgiker - hinlänglich bekannte Feindbilder einer denkmalpflegerischen Zieldebatte, gegen die sich so herrlich fruchtlos anstreiten lässt. Gegen solche Affekte im Publikum hatte Chipperfield durchaus Mühe, mit seinem auf der Grundlage präziser Bestandsanalysen entwickelten Konzept einer ergänzenden Wiederherstellung zu bestehen.

Heilung des Baukörpers

Die Gestaltung der alt-neuen Haupttreppe im Tonfall preußischer Generalfeldmarschälle als Behindertenrampe abzukanzeln, die durch seinen Materialduktus sichtbar gehalten Fassadenergänzungen als „Verfälschungen einer architektonischen Gesetzmäßigkeit“ hinzustellen, ist eines. Ein anderes wäre es gewesen, Chipperfields ungeheuren konzeptionellen Balanceakt bei der Restaurierung des Bestands, der Erfindung spürbarer, doch möglichst bruchloser Übergänge zu den Ergänzungen, den Spagat zwischen den Anforderungen der Museologen und der architektonischen Heilung des Baukörpers hinreichend zu würdigen. Nicht nur das Schloss könnte dann ein Jahrhundertprojekt werden.

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