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Kultur: Der Schmerz vergeht

Könnte ein schmerzender Kritikerzahn erzählen, so würde er Stefan Vladars Debüt im Berliner Schauspielhaus vielleicht folgendermaßen darstellen: Die spitzen, zuweilen klirrenden Diskanttöne des "Andante con variazioni" f-moll von Joseph Haydn setzen ihm noch arg zu.In beruhigend tiefere Regionen entführt ihn Beethovens "Appassionata", vor allem im sanft heraufdämmernden Mittelsatz.

Könnte ein schmerzender Kritikerzahn erzählen, so würde er Stefan Vladars Debüt im Berliner Schauspielhaus vielleicht folgendermaßen darstellen: Die spitzen, zuweilen klirrenden Diskanttöne des "Andante con variazioni" f-moll von Joseph Haydn setzen ihm noch arg zu.In beruhigend tiefere Regionen entführt ihn Beethovens "Appassionata", vor allem im sanft heraufdämmernden Mittelsatz.

Doch warum so aufgeregte, viel zu stark akzentuierte helle Akkordschläge in der letzten Variation, die doch nur die locker zerbröselnden Begleitfiguren zart beleben sollte? Am besten gefällt ihm die vorletzte Zugabe aus den "Consolations" von Franz Liszt, wahre Tröstungen, deren nocturne-artige Gesangslinie wunderschön nuanciert ist, mit verheißungsvollen Verzögerungen in süße, ekstatisch anschwellende "Glöckchen"-Terzen mündend.Der Schmerz ist weg.

Der vierundreißigjährige Österreicher, der den diesjährigen Zyklus der Hypo-Kulturstiftung zur Förderung junger Pianisten beschließt, bringt hier lyrisches Gespür, sensible Anschlagskunst und Formgefühl zu vollkommener Balance.Nicht immer ist es so gut damit bestellt wie gerade in diesem, Entspannung der Zuhörer wie des Pianisten selbst fördernden kleinen Stück.Joseph Haydns Rokoko-Empfindsamkeit klingt transparent-grazil, wird jedoch in so manchen verhauchenden Schlußfloskeln verzuckert oder auch übertrieben romantisiert.Ludwig van Beethovens rasche Sätze bleiben auch im größten Sturm noch geschmeidig-elegant, doch fehlt da die angreifende Kontur.

Daran mag die Badewannen-Akustik des halbgefüllten Großen Saales im Schauspielhaus Schuld sein, die nur wenige erfahrene Solisten überwinden können - eine Falle und kein Gefallen für einen jungen Künstler.Skjabins "Sonate fantaisie" Nr.2 op.90 kommt Vladars leichtem Zugriff zunächst entgegen; verträumt pendeln sich die ersten Quintrufe aus, alles Filigran funkelt und atmet.Doch im Forte, unter Druck, wird der Klang hart und leblos.Gerade die sechste Sonate von Sergej Prokofiev kann so nicht die volle Wirkung ihrer martialisch stampfenden Bruitismen entfalten, trotz unübersehbaren, technisch untadeligen Engagements des Pianisten.

Am überzeugendsten ist der Musiker immer im Understatement: wenn im Allegretto aus zartem Stakkato die grelle Groteske flüchtig hervorblitzt, im trügerischen Glück des "Tempo di Valzer" die Bässe sich drohend anschleichen.Da kann Stefan Vladar kein Kritiker-Zahnschmerz und keine Saalakustik mehr etwas anhaben.

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