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Kultur: Der Schöne und das Biest

BALLETT

Es gibt viele Gründe, das Ballett zu mögen. Für Opernintendanten dürften die guten Auslastungszahlen der wichtigste sein. Wenn Vladimir Malakhov an der Staatsoper Unter den Linden im Schwanensee auftritt, ist selbst der dritte Rang besetzt. Kaum zu glauben, dass trotzdem die „Dritte Sparte“ des Hauses weiterhin als unmündiges Kind behandelt wird und in Verwaltungsfragen am Katzentisch sitzen muss. Die Zuschauer ahnen davon glücklicherweise nichts, wenn unter Julien Salemkour die Staatskapelle Peter Tschaikowskys Breitwand-Klänge intoniert, zu denen sich eine große Liebe in Zeiten gesellschaftlicher Doppelmoral als Geschichte des Scheiterns entfaltet (nochmals am 19. 4.).

Malakhov tanzt den melancholischen Prinzen Siegfried mit vornehmer Tiefe, dessen Verzweiflung sich nur in einzelnen wilden Gebärden ausdrückt. Viara Natcheva im Rollendebüt der verzauberten Schwanenprinzessin überzeugt zunächst in der Vogelrolle weniger als im zweiten Akt, wo sie als Schwarzer Schwan das Biest vom Dienst gibt. Am erstaunlichsten aber die glänzende Entwicklung der Gruppentänzerinnen. Als Schwäne steigern sie sich zu barmender Wuchtigkeit. Ihre Formationen sprengen schier die Bühne, machen Mord und Selbstmord des Finales doppelt plausibel. Kein Zweifel, dass die Berufung von Vladimir Malakhov sich für die Staatsoper ausgezahlt hat. Das Publikum strömt und darf sich über von Monat zu Monat steigendes Niveau freuen. Die Intendanz sollte einsehen, dass sie das Ballett nun endlich auch einmal lieben muss.

Franz Anton Cramer

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