zum Hauptinhalt

Kultur: Der Schrei der Eule

Auf Augenhöhe: „Ich habe keine Angst“ von Gabriele Salvatores

Schön ist das Land, und hart. Endlos die Weizenfelder, gnadenlos die Sonne, wolkenlos der Himmel. Und menschenleer der kleine Ort Acqua Traversa in Apulien. Wie Ruinen liegen die wenigen, schweigenden Häuser um den Hauptplatz, irgendwo brüllen wilde Schweine. Wann ist hier wohl zuletzt jemand durchgekommen – wie es der Name Traversa doch verheißt?

Kein guter Ort für Kinder ist dies, ein Ort, wo die Väter LKW-Fahrer sind und nur selten daheim und die Mütter verbittert vom Kampf ums tägliche Überleben. Und doch tun die Kinder hier das, was sie überall tun: Sie spielen. Sie fahren mit dem Rad über Sandpisten, laufen durch Felder, erforschen die stillgelegten Höfe der Umgebung. Wer zu langsam ist, zu dick, oder eine Brille trägt, wie die kleine Schwester Maria, bleibt zurück. Und die kindlichen Mutproben lassen schon ahnen, dass es bald um ganz andere Herausforderungen gehen wird.

„Ich habe keine Angst“: Der Film intoniert sein Thema schon im Titel. Und es hätte, wie es Emanuele Crialese zuletzt im Sommer mit „Lampedusa“ vorgeführt hat, als Mutprobe nicht viel mehr gebraucht als dieses kindliche „Ich will überleben“ in einer unwirtlichen, unmenschlich schönen Welt. Die Gesichter der kindlichen Laiendarsteller erzählen davon, wie sie sich längst dazu ihre Mechanismen gebildet haben und erwachsen geworden sind vor der Zeit. Die Erwachsenen aber – auch der Regisseur, der sich so viel darauf zugute hält, den Film aus Kindersicht, also aus einer Kamerahöhe von 1,30 Meter gedreht zu haben – wollen mehr: mehr Geld, mehr Spannung, mehr Story. Mehr Spektakel.

Gabriele Salvatores, bekannt seit seinem Auslands-Oscar für „Mediterraneo“, bietet daher alle Techniken eines ausgewachsenen Gruselschockers auf, um eine finstere Geschichte von Gewalt, Entführung und fast Mord zu erzählen – samt Hubschrauber-Showdown zum Schluss. In Italien feierte man den Film, entstanden nach einer Vorlage von Niccolò Ammaniti, als Beispiel für das Wiedererwachen des italienischen Kinos – auch weil er im Wettbewerb der letzten Berlinale lief. Doch mit Verlaub: Filme wie Marco Tullio Giordanas „100 Schritte“, unlängst auch in deutschen Kinos gelaufen, sind da viel weiter. Weil sie italienische Geschichten erzählen, statt Hollywood zu imitieren. Der Schrei der Eule ist stärker als das Löwengebrüll.

Balazs, Hackesche Höfe, Neue Kant Kinos, Passage, Odeon (OmU)

Christina Tilmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false