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Kultur: Der schwarze Hamlet

Sänger, Schauspieler und Missionar des Guten: Harry Belafonte wird 80

Angefangen hat er mit Protestsongs. „Day-o“, der Hit, der ihn 1956 berühmt machte, erzählt von der Ausbeutung schwarzer Bananenpflücker in der Karibik und von ihrer Sehnsucht nach Freiheit: „Work all night on a drink of rum / Daylight come and me wan’ go home.“ Fortan galt Harry Belafonte als „King of Calypso“, Kritiker feierten seine „lodernde Stimme, die vom Zorn eines Apostels befeuert zu sein scheint“. Ganz so lodernd wollten es die amerikanischen Hörer dann doch nicht, in den mit schunkelnden Rhythmen unterlegten Erfolgen „Island In The Sun“, „Matilda“ oder „Coconut Woman“ erscheinen die Westindischen Inseln nicht mehr als Sklavenhölle, sondern als Tropenidyll. Seine Platte „Calypso“ wurde zum ersten Album, von dem sich mehr als eine Million Exemplare verkauften.

„Ich bin ein Folksänger“, sagt Belafonte heute. „Ich singe Volkslieder, mexikanische Lieder, Salsa aus Kuba, afrikanische und jüdische Lieder.“ Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er auf Jamaika, aber geboren wurde er in New York, als Sohn eines Matrosen aus Martinique und einer jamaikanischen Hilfsarbeiterin. Der Besuch der Aufführung eines „Negertheaters“, zu dem er die Karte geschenkt bekommen hat, wird zum Erweckungserlebnis. Belafonte beschließt, der erste schwarze Hamlet zu werden, und besucht einen Workshop bei Erwin Piscator. Zu den Mitschülern gehören Marlon Brando und Tony Curtis.

Er spielt Nebenrollen in Off-Bühnen im Greenwich Village, schafft den Sprung an den Broadway und wird von Otto Preminger für das Musical „Carmen Jones“ nach Hollywood geholt. Seine Musikkarriere beginnt er mit Jazzstandards in Nachtclubs, 1955 nimmt ihn die Plattenfirma RCA unter Vertrag. Nur mit dem Hamlet klappt es nicht. Im Thriller „Odds Against Tomorrow“, 1959 von Robert Wise inszeniert, wird er stattdessen mit einem von Robert Ryan verkörperten Ex-Häftling für einen Banküberfall zusammengespannt. Und in der apokalyptischen Komödie „The World, the Flesh and the Devil“ aus demselben Jahr wacht er als letzter lebender Mensch der Welt auf und findet zum Glück noch eine Frau. Belafonte ist unzufrieden mit den Rollenangeboten und gründet seine eigene Produktionsfirma „Belafonte Enterprises Inc“.

Ende der fünfziger Jahre verkauft der Sänger mehr Platten als Elvis. Doch in den Südstaaten herrscht Rassentrennung, bei seinen Konzerten findet Belafonte mitunter nur durch die Hintertür Einlass. Von einem entwürdigenden Augenblick während einer Tournee in Virginia berichtet er später in einem Interview: „Ich stand in der Toilette und wollte pinkeln, plötzlich höre ich hinter mir eine Stimme: Wenn du hier einen Tropfen Pisse ablässt, bist du tot, Nigger. Ich dachte, das wäre ein Witz. Aber da stand ein State Trooper mit gezogener Pistole.“ Belafonte beginnt, sich zu engagieren, in der Bürgerrechtsbewegung, gegen den Vietnamkrieg und die Apartheid in Südafrika. 1987 wird er zum Unicef-Botschafter ernannt.

Sein Einsatz als Missionar des Guten lässt ihn auch vor zweifelhaften Bündnissen nicht zurückschrecken, etwa als korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Schlagzeilen macht er, als er im Jahr 2002 den US-Außenminister Colin Powell „Bushs Haussklaven“ nennt. In „Bobby“ kann man ihn bald endlich wieder im Kino sehen. Er spielt einen pensionierten Hotelangestellten und lehnt dankend eine von Anthony Hopkins angebotene Tasse Tee ab: „Tee ist etwas für alte weiße Männer. Ich nehme einen doppelten Scotch.“ Heute feiert Harry Belafonte seinen 80. Geburtstag.

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